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E-Mail-Flut
48 Prozent der Österreicher starten mit dem Checken von E-Mails in den Tag, damit ist sie die am meisten genutzte Anwendung.
48 Prozent der Österreicher starten mit dem Checken von E-Mails in den Tag, damit ist sie die am meisten genutzte Anwendung.
Igor Kutyaev / Istock / Getty images plus, PeopleImages / E+ / Getty images

50 Jahre E-Mail: Sklaven des Postfachs

06.07.2021 um 10:00, Klaus Schobesberger
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Die E-Mail wurde vor 50 Jahren erfunden und hat eine Kommunikationsrevolution ausgelöst. Aber längst überlagert der Frust die anfängliche Euphorie. Die nüchterne Erkenntnis: Menschen sind keine Netzwerk-Router.

Irgendwann am Ende des Jahres 1971 wurde die erste E-Mail, wie wir sie heute kennen, versendet. Der amerikanische Informatiker Ray Tomlinson schickte über den Internet-Vorläufer Arpanet einen elektronischen Brief von einem Rechner zu einem anderen. Tomlinson gilt auch als der Erfinder des Klammeraffen-Zeichens, mit dem er Benutzer und Computername trennte. Gut 20 Jahre später mit dem Siegeszug des Personal Computer (PC) kam die elektronische Post auch in Österreich auf Touren. Rund 306 Milliarden Mal wurde im Vorjahr weltweit auf „Senden“ geklickt, das sind 3,5 Millionen Mails pro Sekunde, schätzt das US-Marktforschungsinstitut „Radicati Group“. Laut EU-Statistikbehörde haben im Jahr 2019 rund 79 Prozent der Personen in Österreich das Internet zum Versenden und Empfangen von E-Mails genutzt. 48 Prozent der Bevölkerung starten mit dem Checken von E-Mails in den Tag, damit ist sie die am meisten genutzte Anwendung. Die E-Mail galt am Anfang als ein Wunderding der Effizienz

Recht auf Abschalten

Mit ihr verschwanden die Stapel an Briefpost und Telefaxnachrichten auf den Schreibtischen. Mit der Zeit kamen aber auch Spam und Phishing und die Erkenntnis, Sklaven des Postfachs zu sein. Inzwischen macht der Begriff des „Digital Detox“ die Runde. Das „digitale Entgiften“ steht für eine Auszeit von allen digitalen Medien. Anfang 2017 trat ein französisches Arbeitsgesetz in Kraft, mit dem versucht wurde, das sogenannte Recht auf Abschalten zu bewahren. Unternehmen mit fünfzig oder mehr Mitarbeitern waren verpflichtet, spezifische Richtlinien für die Nutzung von E-Mails nach der Arbeitszeit auszuhandeln, mit dem Ziel, die Zeit zu reduzieren, „die Arbeitnehmer abends oder am Wochenende in ihren Postfächern verbrachten. Myriam El Khomri, die damalige Arbeitsministerin, rechtfertigte das neue Gesetz zum Teil als notwendigen Schritt, um Burn-out zu reduzieren.

überforderter Mann vor Computerbildschirm
E-Mails stören den Arbeitsfluss und erzeugen ein Hamsterrad von lesen, antworten und löschen. Zudem sind Mails eine Quelle von Missverständnissen.

„Ping“: Der Stress steigt

E-Mail ist unser Unglück, ist der Autor Cal Newport in seinem neuen Buch „A World Without Email“ („Eine Welt ohne E-Mail“) überzeugt. Der 38-jährige US-Computerwissenschaftler erwähnt in seinem Sachbuch zahlreiche Studien wie jene der University of California. Um die Auswirkungen von E-Mails zu untersuchen, wurden vierzig Büroangestellte für zwölf Tage an drahtlose Herzfrequenzmessgeräte angeschlossen, um psychischen Stress zu messen. Das Ergebnis: Je mehr Zeit man in einer Stunde mit E-Mails verbringt, desto höher fällt der Stress in diesem Zeitraum aus. Der Rat der Forscher: Organisationen sollten eine konzertierte Anstrengung unternehmen, um den E-Mail-Verkehr zu reduzieren. „Es gibt 230 Millionen Wissensarbeiter auf der Welt. Wenn diese riesige Gruppe durch eine sklavische Hingabe an Postfächer und Chat-Kanäle frustriert wird, dann summiert sich das zu einer ganzen Menge globaler Frustration“, so Newport. Die Nachrichtenflut, die durch E-Mail-Kommunikation erzeugt wird, steht in direktem Konflikt mit unseren alten sozialen Interaktionen, ist Newport überzeugt: „Wir fühlen uns mies, weil wir versehentlich eine Art der Zusammenarbeit eingeführt haben, die unserem Wesen nicht entspricht. Menschen sind keine Netzwerk-Router.“

Gastkommentar Avi Kravitz

Spam, Spam, Spam

von: Avi Kravitz, IT-Security-Spezialist

Laut Talos Intelligence werden am Tag etwa 22,5 Milliarden E-Mails weltweit versandt! Haben Sie gewusst, dass ursprünglich E-Mails wie analoge Postkarten funktioniert haben? Ja, es war bzw. ist sogar möglich, einen beliebigen Absender draufzuschreiben (auch bekannt als „E-Mail-Spoofing“). Um das zu verhindern und zu erkennen, müssen E-Mail-Betreiber darauf achten, dass „Sender Policy Framework“ (SPF), „DomainKeys Identified Mail“ (DKIM) und „Domain-based Message Authentication, Reporting and Conformance“ (DMARC) richtig konfiguriert sind.

Die E-Mail in ihren Anfängen hatte keine Verschlüsselung vorgesehen – umso wichtiger ist es, dass E-Mail-Empfänger ihre E-Mails stets über einen ­verschlüsselten Weg abrufen oder versenden (Häkchen in den Einstellungen bei SSL oder TLS setzen). Übrigens: Von den 22,5 Mrd. E-Mails sind 85  Prozent einfach nur SPAM. Und im Schnitt bekommen Spammer pro 12,5 Mio. E-Mails auch tatsächlich eine Antwort zurück!

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