Was uns der Handel bringt – und dringend braucht
Inhalt
- Die wichtigsten Kennzahlen
- Arbeitsministerin über Bedeutung der Branche Handel
- Handel dynamisch wie nie
- Insolvenzen und Neugründungen
- Umsatzentwicklung im Handel
- Politik: Hand in Hand mit Handel
- Arbeiten im Handel
- Von Teilzeit zu Vollzeit
- Arbeitsmarkt muss reformiert werden
- Arbeit muss sich wieder lohnen
- Anreize setzen, Faktor Arbeit entlasten
Der von der KMU Forschung Austria ausgearbeitet Report liefert die umfassendste Datenanalyse des österreichischen Handels, zeigt neueste Zahlen zur Branchenstruktur, Umsatz- und Personalentwicklung sowie zur Rentabilität und Wertschöpfung.
Die wichtigsten Kennzahlen
- Zu Jahresbeginn 2024 waren mehr als 92.000 Unternehmen mit 615.000 unselbständig Beschäftigten in der Handelsbranche (Einzelhandel, Großhandel, Kfz-Handel) tätig.
- Gemeinsam erzielten sie im Vorjahr 303 Milliarden Euro an Umsätzen (real -1,6%) sowie eine Bruttowertschöpfung von knapp 49 Milliarden Euro.
- Der Einzelhandel kommt auf 52.500 Unternehmen mit insgesamt 345.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von 93,3 Milliarden Euro (2024).
- Davon entfallen 34% auf den Lebensmitteleinzelhandel, der rund 121.200 Mitarbeiter:innen beschäftigt.
- Der Handel ist weiblich, der Frauenanteil liegt bei 54%, im Einzelhandel sogar bei 71%.
- Teilzeit boomt, die Teilzeitquote liegt bei 36%, im Einzelhandel sind es 48%.
- Insgesamt werden im Handel 13.800 Lehrlinge ausgebildet
Arbeitsministerin über Bedeutung der Branche Handel
Viele arbeitsmarktrelevante Themen wurden heuer bei einer CEO-Runde im Rahmen des Handelskolloquiums mit Arbeitsministerin Korinna Schumann und führenden Entscheidungsträgern aus dem Einzel- und Großhandel erörtert. Die Arbeitsministerin über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche: "Die Zahlen sprechen für sich. Mit einem Anteil von 16% stellt der Handel in Österreich die meisten Unternehmen aller Branchen und ist der umsatzstärkste Wirtschaftsbereich." Und weiter:
Mit 615.000 unselbständig Beschäftigten ist der Handel zweitgrößter Arbeitgeber des Landes und ein wichtiger Jobmotor, der fast ein Fünftel der gesamten Wertschöpfung schultert.
Handel dynamisch wie nie
Der Handel ist nicht nur zweitgrößter Arbeitgeber des Landes, sondern auch eine extrem dynamische Branche. Durch die starke Verschränkung von online und offline und den Einsatz modernster KI-Tools entstehen spannende neue Aufgaben und Jobs. Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbands:
Im Vergleich mit anderen Branchen zeichnet sich der Retail-Sektor durch schnellere Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten aus, insbesondere auch für Frauen. Er spielt auch als drittgrößter Lehrlingsausbilder Österreichs eine zentrale Rolle, aktuell werden im Handel mehr als 13.800 Lehrlinge ausgebildet.
Insolvenzen und Neugründungen
Die Betrachtung der Entwicklung der letzten Jahre zeigt allerdings auch die herausfordernde Situation des Handels. Die Anzahl der Unternehmen ist zwischen 2019 und 2023 deutlich zurückgegangen. "Im Vorjahr musste die Branche im Schnitt vier Insolvenzen pro Werktag verkraften. Die Schließungsquote war zuletzt mit 6,5% deutlich höher als die Neugründungsquote von 6%. Auch die Umsatzrentabilität hat sich auf 5,2% reduziert", bestätigt Wolfgang Ziniel, Projektleiter der KMU Forschung Austria.
Umsatzentwicklung im Handel
Die Umsätze haben sich nach (inflationsbedingten) Anstiegen 2021 und 2022 zuletzt rückläufig entwickelt. "2024 sind die Umsätze des heimischen Handels nominell um -0,8% und real um -1,6% zurückgegangen. Damit liegen sie inflationsbereinigt um fast 4% unter dem Niveau von 2019. Wer angesichts dieser Zahlen behauptet, der Handel hätte sich in der Inflationskrise ein Körberlgeld verdient, kommuniziert faktenbefreit. Wir haben vielmehr inflationsdämpfend agiert", so Rainer Will.
Politik: Hand in Hand mit Handel
Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch: "In den letzten Jahren haben wir in den Medien fast täglich gehört, dass jeder zweite österreichische Euro im Export erwirtschaftet wird. Regelmäßig vergessen wurde allerdings auf den ersten Euro – und damit auf unsere Binnenwirtschaft". Und weiter:
Das hat sich inzwischen erfreulicherweise geändert. Auch auf politischer Ebene hat sich der Wind gedreht. Der neue Stil der Bundesregierung beinhaltet auch mehr Rücksichtnahme auf den Handel und einen stärkeren Einbezug von freien Verbänden wie dem Handelsverband.
Arbeiten im Handel
Der Handel bietet viele flexible Arbeitszeitmodelle an, um die Lebensrealitäten der Beschäftigten bestmöglich abzubilden. Das macht sich bezahlt. Die Branche ist ein attraktiver Arbeitgeber – was auch die jüngste HV-Mitarbeiterbefragung klar belegt: 85% der Beschäftigten im österreichischen Einzelhandel bewerten ihre Arbeitsstelle als attraktiv, 79% sind mit ihren Arbeitszeiten zufrieden und 75% würden ihren Arbeitgeber weiterempfehlen.
"Der Handel ist auch ein wichtiger Arbeitgeber für Migrant:innen, fast ein Drittel der Mitarbeitenden haben Migrationshintergrund", ergänzt Studienautor Wolfgang Ziniel. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des Handelsverbands eine weitere Vereinfachung sowie ein Abbau von Bürokratie bei der Rot-Weiß-Rot-Card absolut sinnvoll.
Von Teilzeit zu Vollzeit
Interessant ist überdies der Blick auf die Teilzeitquote. Diese liegt mittlerweile sektorübergreifend bei 36%, im Einzelhandel arbeitet bereits fast jede:r Zweite (48%) nicht Vollzeit. Das liegt übrigens nicht daran, dass im Handel zu wenige Vollzeit-Jobs angeboten werden. Im Gegenteil, fast alle Teilzeitkräfte wollen bzw. können nicht Vollzeit arbeiten. Für die Steigerung der Vollzeitquote ist essenziell, dass Frauen, die noch immer den überwiegenden Teil der Kinder- bzw. Altersbetreuung übernehmen, größtmögliche Entscheidungsfreiheit haben. Umso wichtiger sind leistbare Kinderbetreuungsplätze – und zwar flächendeckend in ganz Österreich. Die Arbeitsministerin:
Wir haben im Regierungsprogramm mit dem verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr einen sehr wesentlichen Hebel verankert. Wir müssen Lösungen finden, damit Frauen eben nicht gezwungen werden, Teilzeit zu arbeiten.
Arbeitsmarkt muss reformiert werden
Nicht ohne Grund sind die Hälfte aller Handelsmitarbeitenden fünf Jahre und länger im selben Betrieb tätig, 31% sogar länger als zehn Jahre. Allerdings haben immer mehr Menschen, die im Handel oder auch in anderen Branchen in Vollzeit arbeiten, das Gefühl, aufgrund der hohen Lohnkostenbelastung für ihre Arbeit nicht belohnt, sondern eher bestraft zu werden. Daher setzt sich der Handelsverband in Abstimmung mit dem Arbeitsministerium weiterhin für breite Arbeitsmarktreformen ein. Handelssprecher Rainer Will:
Der Umsetzungsbedarf dieser Arbeitsmarktreformen zeigt sich in fast jedem Betrieb und wird durch den demografischen Wandel verschärft. In Österreich wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter laut OECD bis 2060 um -24% zurückgehen, wir müssen also trotz aller Trends hin zu KI und Automatisierung frühzeitig gegensteuern.
Arbeit muss sich wieder lohnen
Um diese Lücke zu füllen, muss aus HV-Sicht die Beschäftigungsquote von Frauen sowie von Menschen mit Migrationshintergrund und insbesondere die Vollzeitquote der gesamten Bevölkerung erhöht werden. Selbstverständlich sind hier Betreuungssituationen, die eine Vollzeittätigkeit erschweren, mitzuberücksichtigen. Darüber hinaus braucht es weitere Schritte zur Angleichung des faktischen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter. HV-Präsident Stephan Mayer-Heinisch:
Es gilt, dem absehbaren Arbeitskräftemangel aktiv entgegenwirken. Zu den zentralen Forderungen des Handelsverbands im PLAN H zählen daher weitere Maßnahmen, um arbeitslose Menschen nachhaltig ins Erwerbsleben zu integrieren. Arbeit muss sich wieder lohnen, denn all jene fleißigen Personen, die tagtäglich einer Erwerbsarbeit nachgehen, tragen am meisten zu unserem Sozialsystem bei.
Anreize setzen, Faktor Arbeit entlasten
Ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung kann jedenfalls nur mit einem gesunden Arbeitsmarkt gelingen. Zwar wurde die kalte Progression zu zwei Dritteln abgeschafft, Österreich weist im internationalen Vergleich aber noch immer eine zu hohe Abgabenlast auf Arbeit auf. "Die Steuern und Abgaben auf Arbeit liegen im EU-Schnitt bei 47,3%, in Österreich bei 55,6%. Laut WIFO-Radar der Wettbewerbsfähigkeit hat Österreich damit in den letzten Jahren an Boden verloren. Daher gilt es, Anreize zu setzen und die Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten sowie die Arbeitnehmer bei den Lohnkosten weiter zu entlasten – das ist das beste Investment in unsere Zukunft", so Rainer Will im Namen des heimischen Handels.