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Chefdirigent Vassilis Christopoulos während eines Konzerts
Vassilis Christopoulos ist seit Herbst 2023 Chefdirigent der Oper Graz und der Grazer Philharmoniker.
Vassilis Christopoulos ist seit Herbst 2023 Chefdirigent der Oper Graz und der Grazer Philharmoniker.
Oliver Wolf

Vassilis Christopoulos: Er gibt den Takt vor

08.05.2025 um 08:52, Cornelia Scheucher
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Griechische Expertise: Seit 2023 prägt Vassilis Christopoulos als Chefdirigent der Oper Graz das Kulturgeschehen in der steirischen Landeshauptstadt.

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Der Grieche Vassilis Christopoulos ist seit Herbst 2023 Chefdirigent der Oper Graz und der Grazer Philharmoniker. Internationale Anerkennung erlangte er u.a. 2017 mit der gefeierten Aufführung von Strauss‘ „Elektra“ zur Eröffnung der neuen Spielstätte der Griechischen Nationaloper.

Über seine Arbeit an der Grazer Oper

Sie haben Ihren Vertrag als Chefdirigent der Grazer Oper um zwei Jahre bis zum Sommer 2028 verlängert. Warum?
Christopoulos: Die Bedingungen in Graz könnten für mich nicht besser sein. Die Grazer Philharmoniker folgen mir mit Offenheit und Vertrauen, sind begeisterungsfähig und spielen auf höchstem Niveau. Wir haben ein wunderbares Ensemble, einen fantastischen Chor, eine Weltklasse-Ballettcompagnie und das in einem der schönsten Opernhäuser der Welt. Und Ulrich Lenz als Intendant ist ein idealer Partner.

Sie loben Ulrich Lenz immer in den höchsten Tönen. Wieso funktioniert das Team Lenz/Christopoulos so gut?
Christopoulos: Weil unsere Zusammenarbeit auf Wertschätzung, Vertrauen und persönlicher Sympathie beruht. Uns beiden geht es primär um den gemeinsamen Weg, um den Erfolg der Oper Graz sowie um möglichst glückliche Mitarbeiter und Künstler und nicht um die Befriedigung des eigenen Ehrgeizes.

Sind Sie der Meinung, dass die Grazer Philharmoniker genug Anerkennung erfahren?
Christopoulos: Die Grazer Philharmoniker sind meiner Meinung nach ein Spitzenorchester, das noch nicht genug nationale und internationale Anerkennung genießt. Um das zu ändern, braucht man Jahrzehnte, ein konstant hohes Niveau, eine langfristige Marketingstrategie, mehr Gastspiele und ja, mehr Geld. Graz hat viele namhafte Künstler hervorgebracht, aber leider keinen so namhaften Komponisten wie Mozart oder Bruckner, der die Strahlkraft des Orchesters durch seinen Namen nobilitieren könnte.

Chefdirigent Vassilis Christopoulos während eines Konzerts
Vassilis Christopoulos hat kürzlich seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert.

Über die Kulturbegeisterung der Steirer

Wie würden Sie die Kulturbegeisterung der Steirer bewerten?
Christopoulos: Generell kann ich nicht klagen, wobei ich mir manchmal noch mehr Offenheit gegenüber neuen oder unbekannten Werken wünschen würde. Zum Beispiel „Schlaflos“ von Peter Eötvös aus der letzten Spielzeit. Es ist eine faszinierende zeitgenössische Oper, die das Publikum sehr bewegt hat, aber die Auslastung im Opernhaus hätte höher sein können. Auch „Die Trojaner“ im Frühjahr 2025 waren nicht restlos ausverkauft, obwohl dieses großartige Werk es verdient hätte.

Und wie sieht es mit dem jungen Publikum aus?
Christopoulos: Tatsächlich beobachte ich mit Freude ein gemischtes Publikum mit vielen jungen Menschen in der Oper. Wenn wir im Musikverein Graz spielen, sieht es schon anders aus. Aber Oper und Theater sind grundsätzlich populärer als das Format Symphoniekonzert. Dazu muss ich aber sagen, dass die Oper Graz mit „OperAktiv!“ ein vielfältiges Programm für junge Menschen anbietet.

In den letzten fünf Jahren sind wir von Krise zu Krise geschlittert: Braucht es Kunst und Kultur mehr denn je?
Christopoulos: Ja! In den letzten Jahren sind wir tatsächlich von einer Krise zur nächsten geschlittert, aber nicht nur finanzieller und politischer Natur. In einer Welt, die zunehmend von digitalen Technologien durchdrungen ist, stellt sich die Frage: Wie viel unserer Kreativität, Entscheidungsfreiheit und sogar unseres Gedächtnisses delegieren wir an Maschinen? Kunst und besonders Musik zwingen uns, für die Dauer einer Symphonie oder eines Opernaktes vollständig präsent zu sein, intensiv zuzuhören und starke Gefühle zu erleben. Wir müssen uns dem analogen Hier und Jetzt ergeben.

Über seine Heimat Griechenland

Ihre Heimat ist das schöne Griechenland: Inwiefern unterscheidet sich die österreichische von der griechischen Kulturszene?
Christopoulos: Es gibt viele Unterschiede. Wir sind eine Theaternation. Es gibt im ganzen Land, auch in kleineren Städten oder in der freien Szene, sehr viele Schauspielhäuser und Theaterproduktionen, oft von sehr hohem Niveau. Mit der Oper sieht es anders aus. De facto gibt es nur die Griechische Nationaloper in Athen, die sich aber erst seit der Eröffnung der neuen Spielstätte 2017 mit den traditionsreichen europäischen Opernhäusern messen kann. Vorher wurde in Griechenland, vor allem in Athen, fast ausschließlich italienisches Repertoire und fast nichts aus dem deutschsprachigen Raum aufgeführt.

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