Schwarz: "Meine Diagnose hat vieles erklärt"
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Simon Schwarz tritt dem Club der Autoren bei. Gemeinsam mit Ursel Nendzig hat der 54-jährige Wiener sein erstes Buch "Geht's noch?" im Ueberreuter Verlag veröffentlicht. Mit seinem literarischen Erstling will Schwarz Gräben in der Gesellschaft zuschütten. Für weekend.at hat sich der Schauspieler, Kabarettist und Podcaster Zeit genommen, um über sein neues Buch zu sprechen.
Das neue Buch
Bühne, Podcast, Kabarett: Warum jetzt auch noch ein Buch?
Schwarz: Das ist tatsächlich eher Zufall gewesen. Es ist aus dem Podcast mit Manuel Rubey heraus entstanden: Eine Hörerin hat gefragt, ob ich nicht einmal ein Buch schreiben will. Ich finde, es gibt ja wirklich genug Schauspieler und Kabarettisten, die eine Biografie schreiben, und wenn sie keine Biografie schreiben, dann irgendwelche Koch- oder Yogabücher. Wenn jemand wie Philipp Hochmair narzisstisch über sich selbst schreiben will, bitte sehr, das ist sein gutes Recht. Ich verurteile das nicht. Mein Anliegen ist einfach ein anderes. Ich will keine Autobiografie, ich will Verständigung. Ich habe mich da regelrecht in Rage geredet und gesagt: Es gibt Themen, die mich wirklich interessieren – Umwelt, Generationen, Gesellschaftspolitik, Aktivismus.
Politische Prägung
Du bist ein stark politischer Mensch, hast dich aber nie in einer Partei engagiert. Warum?
Schwarz: Mein Wunsch ist eine außerparlamentarische Opposition, die sich einig über Empathie in Umweltthemen, im empathischen Verhalten ist. Diese Opposition soll sich einig sein, dass wir eine neue Erzählung brauchen. Es ist aber auch falsch zu denken, dass Umwelt und Wirtschaftspolitik getrennt gehören. Man kann den Kapitalismus nicht herausnehmen. Im alten Parteiensystem haben wir viele „Juristen“, keine Visionäre mehr. Sie träumen nur noch innerhalb ihrer Parteigrenzen. Meine Mutter hat mich da stark geprägt.
War deine Mutter stark politisch?
Schwarz: Sie hat Mütter gegen Atomkraft mitgegründet. Sie war bei Bruno Kreisky, hat dort verhandelt, sie war in Hainburg, sie hat diese Busse organisiert, sie war im Club 2 und so weiter. Es gibt diese Au noch. Das ist wunderschön. Sie hat die Chance auf ihre Karriere geopfert, weil sie eine bessere Zukunft für ihre Kinder haben wollte. Da ging es nicht um die Anhäufung von Geld, sondern um eine bessere Umwelt.
Schwarz' Kindheit
Wie war deine Kindheit?
Schwarz: Ich bin von der Schule gekommen, habe mich mit meiner Freundesgruppe auf die Fahrräder geschwungen und wir sind im zweiten Bezirk ausgefahren. Im grünen Prater haben wir Lager gebaut, sind auf Brücken herumgeklettert. Alles, was man nicht möchte, dass seine Kinder machen, haben wir gemacht.
Folgenreiche Diagnose
Man merkt die starke Prägung deiner Mutter. Du schreibst in deinem Buch aber auch ausführlich über ADHS …
Schwarz: Ich beschreibe das Thema, weil ich finde, dass Leser eine Art „Betriebsanleitung“ brauchen, um den Rest des Buches besser zu verstehen – also zu wissen, woher ich komme, wie ich denke und warum ich so bin, wie ich bin.
Wie bist du zu deiner Diagnose gekommen?
Schwarz: Ich saß während einer Drehpause zu einem Eberhofer-Film in meinem Wohnwagen, las einen Zeitungsartikel und erkannte mich plötzlich wieder. Es war, als würde jemand eine Tür in mir öffnen. Ich musste mich richtig zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Ich hatte als Kind oft Minderwertigkeitskomplexe, weil man mir eingeredet hat, ich sei dumm. In der Schule hieß es: „Du bist einfach deppert.“ Und auch später hatte ich oft das Gefühl, weniger zu wissen als andere.
Du bist im zweiten Bezirk aufgewachsen, deine Eltern waren Bildungsbürger. Hattest du das Gefühl, dich behaupten zu müssen?
Schwarz: Ich habe mich oft benachteiligt gefühlt, weil ich vieles nicht wusste. Viele meiner Bekannten warfen ständig mit Fremdwörtern um sich. Ich selbst bin in einer Umgebung aufgewachsen, in der sich am Schulhof geprügelt wurde. Wenn dir jemand die Wurstsemmel wegnimmt, dann musst du reagieren. Das prägt dich. Ich verstehe mittlerweile intellektuell vieles, aber ich habe auch erlebt, wie hart Realität sein kann. Irgendwann habe ich gemerkt: Ich weiß mehr, als ich dachte. Ich habe einfach einen anderen Zugang.
Glaubst du, wenn man dein ADHS früher erkannt hätte, wäre dein Leben anders verlaufen?
Schwarz: Gesellschaftlich hätte es keine starken Auswirkungen gehabt. Ich glaube, bei mir wäre es anders gewesen. Eine weiterführende Schule war für mich keine Option – es blieb nur eine Lehre. Und das ist ja nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Heute ist jeder froh, wenn er einen Handwerker findet. Ich wäre sicher ein Guter geworden. Ich kann heute noch einen Tisch oder ein Boot bauen. Ich hatte einen großartigen Lehrer in der Hauptschule, der an mich geglaubt hat. Wenn er damals gewusst hätte, wie man mir helfen kann, wäre vielleicht alles anders gelaufen. Vielleicht hätte ich irgendetwas mittelmäßig Interessantes studiert und wäre jetzt ein gebildeter Mann. Ich bin froh, dass mein Weg so war, wie er war.