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Antiquitäten
Wer schöne alte Möbelstücke kaufen möchte, hat zurzeit die Qual der Wahl.
Wer schöne alte Möbelstücke kaufen möchte, hat zurzeit die Qual der Wahl.
taikrixel / iStock / Getty Images Plus

Stilmix - immer im Trend

24.02.2021 um 11:47, Sarah Estermann
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Der Stilmix aus Alt und Neu ist eine geniale Methode, um unterschiedlichste Designs aus verschiedenen Epochen miteinander zu kombinieren und damit ein einzigartiges Wohnambiente zu kreieren.

Wer spannende Kombinationen liebt und den Einsatz älterer Wohngegenstände als stilistisches Element einsetzen möchte, ist bei diesem Einrichtungstrend genau richtig. Denn antike Möbel und Gemälde können einem modernen Wohnraum den letzten Schliff geben. Doch damit der Plan aufgeht, gibt es auch einiges zu beachten!

Stilsicher.

Von Antiquitäten sprechen wir eigentlich erst, wenn ein Stück 100 Jahre oder älter ist. Besonders beliebt sind beispielsweise Möbel aus den Epochen des Biedermeier, Jugendstils, Empire oder Barocks. Aber auch in den vergangenen hundert Jahren sind echte Möbel-Klassiker entstanden, die – original oder nachgebaut – heute noch wirklich was hermachen, wie beispielsweise der Lounge Chair der Brüder Eames, ein Sofa von Antonio Citterio oder eine Leuchte von Fritz Hansen. Übrigens: Stil muss nicht immer teuer sein. Ob die Teile nun wertvolle Erbstücke oder glückliche Flohmarktfunde sind, muss nicht unbedingt im Vordergrund stehen – Hauptsache, sie gefallen! Wer auf Nummer sicher gehen möchte, lässt sich von einer Fachfrau oder einem Fachmann für „alte Schätze“ beraten.

Friedrich Vesco, Antiquitäten-Experte:

Um so wenig Geld konnte man noch nie so tolle Möbel kaufen. Die Nachfrage bricht weg, die Jungen springen auf den Zug nicht auf. Die Qualität dieser alten Möbel wird nicht wertgeschätzt. Man konzentriert sich zu sehr auf die Optik. Biedermeier ist zum Teil billiger als IKEA, dabei sind diese Antiquitäten hochwertigstes Handwerk. Die Kunden wollen etwas Altes, aber in der Perfektion von etwas Neuem. So wurden in den vergangenen Jahren viele Antiquitäten zu Tode restauriert, ruiniert, weil ihnen die Patina fehlt. Meistens kehren sich Trends wieder um. Kleine, sehr spezielle Dinge sind aber immer noch gefragt.

Weniger ist mehr.

Typisch für antike Möbel ist der Einsatz von eher dunklen Hölzern, wie Nuss, Mahagoni, Kirsche oder Palisander, oder aber einer dunklen Beize. Je nach Epoche können Intarsien, eindrucksvolle Beschläge und Schnitzereien dazukommen. Aus diesem Grund sollten sie mit Bedacht eingesetzt werden. Ein Raum, der vornehmlich mit alten Möbeln eingerichtet ist, kann schnell verstaubt und düster wirken. Mit antiken Stücken sollte man daher lediglich Akzente setzen. Das Motto lautet bei Antiquitäten also eher: Weniger ist mehr. Neben den dunklen und oftmals wuchtigen Unikaten darf der Rest des Wohnraumes gerne hell und reduziert sein. So eingesetzt, sorgen alte Möbel für Stimmung und verleihen das gewisse Extra. Was auf jeden Fall für Antiquitäten spricht, ist die herausragende Qualität, in der diese Stücke einst gefertigt wurden.

Barocke Möbel
Möbel im barocken Stil sind besonders beeindruckend.

Zeichen der Zeit.

Besonders gut zur Geltung kommen die älteren Stücke in Kombination mit dem rauen und kalten Charme des Industrial Style. Unverputzte Ziegelwände und raumhohe Fenster stehen im perfekten Gegensatz zu opulenten Möbelstücken. Aber auch der helle, geradlinige Scandinavian Style lässt sich in seiner Schlichtheit gut durch alte Einzelstücke ergänzen. Möbel-Klassiker der vergangenen hundert Jahre lassen sich wiederum ausgezeichnet sowohl in moderne als auch in historische Gemäuer integrieren, wie das Projekt „Bauernhof BB“ von AREA zeigt – ganz nach dem Motto „Gegensätze ziehen sich an“. Keine Angst sollte man davor haben, die guten Stücke auch zu benützen. Denn als reine Schaustücke oder Staubfänger sind sie eigentlich zu schade. Dabei dürfen die alten Möbel durchaus auch zweckentfremdet werden: So kann beispielsweise aus dem schweren Stuhl, der als Esstischstuhl eigentlich unpraktisch ist, eine Ablage werden und aus der Wäschekommode eine Wickelkommode fürs Kinderzimmer. Alte Möbel zeigen oftmals Abnutzungserscheinungen wie Kratzer und Flecken – das macht nichts! Sie verleihen den alten Stücken Charme und erzählen von den vielen Jahren, die diese schon gesehen haben.

Simon Ladner, Geschäftsführung AREA Linz:

(Möbel-)Klassiker zeichnen sich heutzutage zumeist durch eine sehr lange Nutzungsdauer aus. Zumeist waren aber eine technische Neuentwicklung oder eine neue Materialität der damalige Entstehungsgrund. Dadurch waren sie in ihrer Entstehungszeit eine absolute Neuheit. Deshalb und nicht zuletzt durch gute Designqualität wurden sie zu Klassikern, sie waren auch meist ihrer Zeit sehr weit voraus und wirken heute noch modern, manchmal sogar futuristisch und sind für einen Laien keiner Zeitepoche zuzuordnen.

Eames Chair
Einer der bekanntesten Möbel-Klassiker, entworfen im Jahr 1956, ist der Lounge Chair der Brüder Charles und Ray Eames.

Raritäten.

Etwas ganz Besonderes sind Möbelstücke, die heute in der Form gar nicht mehr so gebräuchlich sind, wie Kredenzen und Anrichten, Apotheker- oder Tabernakelschränke. Dabei sind diese Elemente sehr praktisch und haben oftmals ein beeindruckendes Erscheinungsbild. Manche Designer und Möbelmacher von heute lassen sich von der vergangenen Zeit durchaus inspirieren. So kommt es vor, dass Küchendesigner sich beispielsweise an die gute alte Kredenz erinnern und in ihre moderne Küche integrieren.

Dick aufgetragen.

Nicht nur alte Möbel, auch alte Bilder können einem modernen Wohnraum mehr Ausdruck verleihen. Echte „alte Meister“ sind allerdings nicht gerade preiswert. Hier kann man sich alternativ nach Druckgrafiken umsehen. Immer wieder lassen sich auch Bilder von unbekannten Künstlern finden, die trotzdem gefallen. Schwülstige alte Bilderrahmen mit reichen, oftmals goldenen Verzierungen sind übrigens auch tolle Blickfänger und können sowohl alte als auch moderne Kunstwerke toll in Szene setzen! Fazit: Erlaubt ist grundsätzlich, was gefällt in puncto Stilmix, aber Vorsicht! Antiquitäten können süchtig machen und man sollte immer im Auge behalten, wann es genug des Guten ist.

Katharina Marchgraber, Inhaberin Catrinette, Wien und Händlerin bei Bares für Rares, Österreich:

Bei meinen Wohnungsberatungen gebe ich immer folgende Tipps: Seien Sie mutig und mischen Sie Stile! Eine Wohnung braucht Charakter und ist ein wunderbarer Ort, um seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen! Vertrauen Sie der eigenen Kreativität, wenn es um Stilmix geht. Es ist wie in der Mode – ein buntes Halstuch hier, eine besondere Handtasche da und schon ist es ein Statement-Outfit! Sehen Sie das auch so mit Ihren vier Wänden. Zeigen Sie Mut und bekennen Sie Farbe! Eine Wohnung muss wachsen! Lassen Sie sich Zeit beim Einrichten und stöbern Sie regelmäßig in Zeitschriften und Ihren Lieblingsgeschäften. Man fängt meistens mit einem Eyecatcher an, dann kommt ein zweiter dazu und peu à peu wird man süchtig nach der Aura, die alte Gegenstände mit sich bringen. Man fühlt sich in ihrer Gegenwart wohl – ich finde, sie strahlen oft sogar eine gewisse kuschelige Wärme aus, mit der man sich gern umgibt.

Catrinette
Katharina Marchgraber empfiehlt, sich beim Einrichten mit alten Stücken Zeit zu lassen.

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