Das Geschäft mit dem Kick bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien
Fußballweltmeisterschaften sind ein Ebenbild der Spielcasinos: Egal, was Glück und Pech auslösen oder Enttäuschung und Triumph bewirken, am Ende gewinnt immer die Bank. Im Falle der WM handelt es sich dabei um die Fédération Internationale de Football Association – kurz: FIFA. Beim letzten Titelkampf in Südafrika waren es satte 2,6 Milliarden Euro Einnahmen durch den Verkauf von TV-, Werbe- und Marketingrechten. In Brasilien – so rechnen Insider – wird der Vermarktungsmonopolist heuer sogar mehr als drei Milliarden Euro erwirtschaften.
Geldregen
Für die Nationalmannschaften zahlen sich die Milliardeneinnahmen der FIFA aus: Jede teilnehmende Mannschaft erhält rund 5,8 Mio. Euro, der Weltmeister sogar 25,5 Mio. Euro. Zusätzlich werden noch 51 Millionen Euro an Vereine aufgeteilt, die Spieler zur Weltmeisterschaft abstellen. Und auch die WM-Fußballer gehen nicht mit leeren Taschen nach Hause. Die deutschen Kicker erhalten von ihrem Verband für den erhofften Titel je 300.000 Euro Prämie, für den zweiten Platz noch die Hälfte. Die Nigerianer müssen sich hingegen mit einer Bonuszahlung von rund 70.000 Euro für den FIFA-WM-Pokal begnügen. Für viele Fußballstars sind diese Zuwendungen allerdings nur ein Taschengeld. Der argentinische Weltfußballer Lionel Messi etwa erhielt vom FC Barcelona gerade eine Gehaltserhöhung. Auf seinem Gehaltszettel stehen nun jährlich rund 20 Millionen Euro oder am Tag 54.800 Euro – zuzüglich Prämien und Werbeverträge.
„Weltmeister“ Sponsoren
Zu den weiteren finanziellen „Weltmeistern“ gehören die Sponsoren. Für das Privileg, sich mit Logo und Slogan zu schmücken, zahlen die Konzerne horrende Summen an die FIFA. Die damit zu erzielenden Umsatzsteigerungen übertreffen die Ausgaben bei Weitem. Coca-Cola, Sony, adidas, Emirates Airline, Hyundai und Visa als die sechs Hauptsponsoren zahlen als FIFA-Dauerpartner jährlich zwischen 17,5 und 32 Millionen Euro. Etwas günstiger wird es für Nebensponsoren wie McDonald’s mit 7,3 bis 18,2 Millionen. Zu den großen Gewinnern der WM zählen weiters die Sportartikelmarken adidas, Puma und Nike. Durch den Verkauf von Trikots, Bällen und Schuhen steigern diese alle vier Jahre den Umsatz. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland verkaufte beispielsweise adidas den WM-Ball „Teamgeist“ 15 Millionen Mal und zusätzlich noch drei Millionen Trikots, davon die Hälfte im Deutschland-Look.
Pickerl-Power
Dass bei jeder WM das Panini-Sammelfieber ausbricht, ist so sicher, wie der Ball rund ist. Ins Album zur Brasilien-WM passen 640 Sticker von Fußballern, Trainern und Stadien. Ein Päckchen mit fünf Stickern kostet 60 Cent. 2010 machte der italienische Medienkonzern mit dem Stickerverkauf 95 Millionen Euro Umsatz – ein Drittel des Verlagsumsatzes. Mehr als 100 Millionen Päckchen wurden damals verkauft. Ein gefülltes Album kann für die Sammler hoch gewinnbringend sein. Fanatiker bieten für komplette Stickeralben aus den 70er- und 80er-Jahren bis zu 15.000 Euro.
Buhmänner der WM
Schiedsrichter stehen nicht nur bei Spielern unter Kritik, sondern auch bei Trainern, Fans und Medien. Morddrohungen sind keine Seltenheit. Um den Druck von außen stand zu halten, veranstaltet die FIFA eigene Trainingslager für Schiedsrichter. Bereits im heurigen Februar haben sich 91 Schiedsrichter aus 43 Ländern auf Gran Canaria für Brasilien vorbereitet. Das Honorar für die fast zweimonatige Urlaubszeit wird bei jeder WM neu ausverhandelt. In Südafrika betrug die Entschädigung beispielsweise 32.000 Euro.
Rot-weiß-rote Nutznießer
Sportlich haben wir uns nicht qualifiziert, dennoch profitiert man in unserem Land von der WM. Beispielsweise bei der Brau-Union Österreich (Jahresumsatz 657,8 Millionen Euro) steigt der Bierkonsum während des WM-Monats um bis zu zehn Prozent. Aufs Jahr gerechnet ein Plus von 1,5 Prozent. Der ORF nimmt pro Werbesekunde in der Halbzeitpause bis zu 800 Euro ein, im Finale sogar bis zu 1.100 Euro. Ein Schnäppchen im Vergleich zum Football-Super Bowl. Dort geben Coca-Cola und Co 97.000 Euro pro Sekunde aus.
Gewinner Musikindustrie
Die Hände reibt sich auch die Musikindustrie. Neben einem offiziellen FIFA-WM-Song gibt es noch unzählige nationale Hymnen, die vermarktet werden. In Südafrika landete Shakira mit „Waka Waka“ einen weltweiten Hit, der 7,53 Millionen Mal über den Ladentisch ging. Das Musikvideo verzeichnete auf youtube.com unglaubliche 660 Millionen Klicks – Platz acht unter den meistgesehenen Musikvideos der Plattform. Die Latte liegt damit für Jennifer Lopez und Pitbull mit „We Are One“ heuer extrem hoch.
Die Schattenseiten
Weltmeisterschaften sollen den Austragungsländern nach Vorstellung der FIFA als Sprungbrett für Wirtschaftswachstum dienen. Nicht immer sind diese Länder Sieger. Brasilien investiert für die „WM des Volkes“ rund 9,9 Milliarden Euro. Das Geld fließt vorwiegend in die Verbesserung der Infrastruktur, die zwölf Stadien sowie Flughäfen, Telekommunikationsnetz und öffentliche Sicherheit. Der Großteil wird durch öffentliche Mittel finanziert, was unter der Bevölkerung Unzufriedenheit hervorruft. Verstärkt wird dieser Unmut durch die Verdreifachung der prognostizierten Kosten für Stadien. Deshalb erwarten sich laut aktuellen Umfragen 55 Prozent der Einheimischen durch die WM mehr Nach- als Vorteile. Der Fußballjournalist Juca Kfouri glaubt sogar an ein WM-Dilemma, verursacht durch die Regierung. Er beziffert die Kosten für das FIFA-Spektakel mit 29 Milliarden Euro. So viel wie für die letzten drei Weltmeisterschaften zusammen. Man geht davon aus, dass es während der WM eine Reihe von Großdemonstrationen geben wird.
Chance vertan
Ungeachtet der ungünstigen Vorzeichen geben viele Wirtschaftsexperten Brasilien eine Chance zum Aufschwung. Dasselbe Versprechen gab es auch 2010 für Südafrika. Doch was blieb nach der WM-Austragung noch übrig? Das Spektakel sollte Jobs, Wachstum, Frieden und Harmonie bringen. Vier Jahre später ist wenig vom Enthusiasmus zu spüren. Das Wachstum ist in den letzten Jahren aufgrund von Streiks und den damit verbundenen Produktionsausfällen stagnierend. Zusätzlich tragen der Absturz der Währung und die fallenden Rohstoffpreise zum Stillstand bei. Und die Arbeitslosigkeit? Die liegt noch immer bei rund 40 Prozent. Vor allem Jugendliche sind davon schwer betroffen. Bleibt für Brasilien nur zu hoffen, dass sie die Chance besser nutzen als Südafrika.
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