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Sinnstifter - Gemeinnützige Stiftungen

01.11.2023 um 08:00, Jürgen Philipp
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Wenn vermögende Philanthropen Sinn stiften, dann stiften sie diesen oft in gemeinnützigen Stiftungen. Was dahinter steckt und welchen globalen Impact sie haben.

Wenn phílos, altgriechisch für Freund, und ánthrōpos, der Mensch, aufeinandertreffen, dann geht etwas weiter. Die Definition von Philanthropie lautet: „Menschenfreundliches Denken und Verhalten“. Ihre institutionalisierte Form ist die gemeinnützige Stiftung. In Österreich existieren 769 von ihnen. Seit 2015 entstanden 100 neue und sie sollen weiter boomen. Das von der Regierung vorgelegte „Gemeinnützigkeits- und Spendenpaket“ soll das zuletzt 2015 novellierte Bundesstiftungs- und Fondsgesetz reformieren. Das Paket erweitert nun den Zugang zur Spendenbegünstigung auf alle gemeinnützigen Bereiche. Seit 2009, als Spenden steuerlich absetzbar wurden, verdoppelte sich das Spendenaufkommen. Ähnliches erhofft sich Ruth Williams, Generalsekretärin des Verbandes für gemeinnütziges Stiften, nun auch für den sogenannten dritten Sektor: „Ich denke, das wird wieder ein Hebel sein, um mehr privates Kapital philanthropisch einzusetzen.“

Intrinsische Motivation
So wurden Zuwendungen für wissenschaftliche Forschung oder Erwachsenenbildung bisher steuerlich nicht begünstigt. Ein Bereich, den viele gemeinnützige Stiftungen unterstützen. EcoAustria schätzt daher, dass allein mit dieser Maßnahme mindestens 30 Millionen Euro pro Jahr an Stiftungszuwendungen und Spenden in die Bildung fließen könnten. Kapital und Know-how das, laut Williams, gebündelt werden muss. „Wenn wir sehen, vor welchen Problemen wir als Gesellschaft stehen, wird es alle brauchen, um diese zu lösen: Die öffentliche Hand, NGOs, Unternehmen und gemeinnützige Stiftungen müssen ihre Ressourcen bündeln.“ Was bereits passiert und etwa von ihrem Verband unterstützt wird. Obwohl philanthropisch motivierte Stiftungen oft im Verborgenen bleiben, ist ihr Impact auf die Gesellschaft unverzichtbar. „Den Stiftern geht es selten um Publicity. Sie sind intrinsisch motiviert.“

Universität Wien
Die Universität Wien geht auf eine Stiftung von Herzog Rudolf IV. von 1365 zurück.

Geschaffen für die Ewigkeit
Nur wenige dieser 796 gemeinnützigen Stiftungen sind in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Meist nur, wenn es um Kultur oder große Schenkungen geht, wie im Falle des Ehepaars Leopold oder der Essl Foundation, die sich nun mit dem „Zero Project Austria“ ganz dem Umweltschutz verschrieben hat. Meist stecken hinter diesen Stiftungen Unternehmer wie der 2017 verstorbene Ludwig Szinicz, Gründer der TGW und Stifter der „Future Wings Privatstiftung“, die sich ganz der Bildung junger Menschen widmet. Auch die Familie Swarovski oder Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz sind Stifter. Der 2022 verstorbene Milliardär rief die „Wings for Life“-Stiftung ins Leben, welche die Rückenmarksforschung unterstützt und Querschnittslähmungen heilen will. Szinicz und Mateschitz sind zwar schon verstorben, die Stiftungen leben aber weiter, denn grundsätzlich sind sie nicht zeitlich begrenzt. Ruth Williams nennt sie „für die Ewigkeit“ geschaffen. Die Ewigkeit ist nur dann zu Ende, wenn das verlangte Mindestvermögen von 70.000 Euro für gemeinnützige Privatstiftungen bzw. 50.000 Euro bei Bundesstiftungen (die nichts mit dem Bund zu tun haben) unterschritten wird. Kapital, das bar eingezahlt oder durch Sacheinlagen wie Immobilien oder Gesellschaftsanteile eingebracht werden kann. In der Regel wird allerdings weit mehr Vermögen eingelegt, um der guten Sache zu dienen. Die größte heimische Stiftung mit gemeinnützigem Zweck ist übrigens die ERSTE Stiftung. „Sie hält 51 Prozent an der ERSTE Bank und ist unser allergrößter Player.“ Alleine 2022 hat sie 103 Projekte gefördert und dafür 11,4 Millionen Euro für zivilgesellschaftliche Initiativen bereitgestellt.

Gemeinnützige Gummibären und Schlagbohrhammer
Bekannter sind philanthropische Stiftungen aus unserem Nachbarland. Die Bertelsmann Stiftung etwa will – frei nach dem Stiftungszweck – Lösungen aufzeigen und empirisch gestützte Orientierung in einer breiten Öffentlichkeit bieten. Von der ehemaligen Villa Robert Boschs in Stuttgart aus agiert die nach ihm benannte Stiftung, eine der kapitalstärksten Europas. Der Gründer des Autozulieferers und Gerätekonzerns starb 1942 und legte in seinem letzten Willen fest, dass sein Erbe „die sittlichen, gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkes“ unterstützen sollte. Haupteigentümer des Unternehmens ist mit 92 Prozent der Anteile die Robert Bosch Stiftung, die damit vor allem Gesundheitsprojekte – sogar mit eigenem medizinischem Forschungsinstitut – unterstützt. Ein weiteres prominentes Beispiel ist die Dr. Hans Riegel Stiftung. Der 2013 verstorbene Haribo-Miteigentümer widmete sein Vermögen der schulischen und beruflichen Bildung junger Menschen.

Bill und Melinda Gates
Melinda Gates bleibt trotz Scheidung von ihrem Ehemann Bill an Bord der größten philanthropisch motivierten Stiftung der Welt.

To big to donate?
Die größte private philanthropische Stiftung der Welt ist der 1999 gegründete Bill & Melinda Gates Foundation Trust in Seattle. Die rund 1.500 Mitarbeiter verwalten ein Portfolio von 42,061 Milliarden US-Dollar (2. Quartal 2023) und agieren dabei wie klassische Vermögensverwalter. Sie kaufen Aktien, Beteiligungen, Shares und steigern so das Kapital, das für gemeinnützige Zwecke eingesetzt wird. Über 40 Milliarden US-Dollar hat der Trust bereits gespendet. Trotz der Scheidung des Ehepaars Gates blieben die Stiftung und ihr Stiftungszweck erhalten: Die Verbesserung von Gesundheit und Bildung in Dritte-Welt- und Schwellenländern. Die Stiftung ist zudem größter Spender an die WHO, was ihr viel Kritik einbrachte. Sie sei zu mächtig und könne daher den Kurs der Weltgesundheitsbehörde bestimmen. Gates könne – so die Kritik – Einfluss nehmen, welche Medikamente oder Vakzine verwendet werden. Das brachte Gates ins Visier der Impfgegner während der Coronapandemie. Doch Bill und Melinda Gates motivierten mit „The Giving Pledge“ auch andere Vermögende, sich zu engagieren. Etwa der 93-jährige Warren Buffett, schon bisher einer der größten Spender der Welt. Er will bis zu 99 Prozent seines gesamten Vermögens gemeinnützigen Organisationen überlassen. Ein Vermögen das, laut Forbes, aktuell rund 120,2 Milliarden US-Dollar beträgt. Ein weiteres Mitglied von „The Giving Pledge“ ist der Inder Azim Premji. Sein Unternehmen Wipro ist heute der größte unabhängige Anbieter von Softwarelösungen und IT-Outsourcing weltweit. Azim Premji wurde damit rund elf Milliarden US-Dollar schwer. Reichtum, der ihn nie gereizt hat und den seine Foundation in die Bildung von indischen Lehrern investiert, Schulbücher und Schulausstattung zur Verfügung stellt und Bildungschancen in die entlegensten Winkel des Subkontinents bringt. Auch eine Universität in Bangalore stiftete der Inder. Universitätsstifter sind übrigens keine Seltenheit. So wurde die Universität Stanford von Leland und Jane Stanford in Andenken an ihren frühzeitig verstorbenen Sohn 1891 gestiftet und sogar die Universität Wien geht auf eine Stiftungsurkunde des Herzogs Rudolf IV. von 1365 zurück.

Azim Premji
Der Inder Azim Premji, Gründer von Wipro und Milliardär, macht sich nichts aus Geld. Er investiert mit seiner Foundation lieber in die Bildungschancen am Subkontinent.

Inkubatoren für gute Ideen
Hierzulande ist der dritte, philanthropische, Sektor noch im Wachstum begriffen, wie Ruth Williams anmerkt, doch: „Die Lage war noch nie so attraktiv für Gemeinnützigkeit.“ Für Williams sind solche Stiftungen „Inkubatoren für gute Ideen. Sie müssen sich nicht an eine Legislaturperiode halten, sich nicht rechtfertigen, für welche gemeinnützigen Projekte sie ihre Gelder einsetzen, und können damit auch Risiko nehmen bzw. Dinge ausprobieren.“ Dennoch sind solche Stiftungen keine „rechtsfreie Spielwiese. Stiftungsverantwortliche haften auch als natürliche Person, das ist ähnlich einer Geschäftsführerhaftung.“ In Österreich sind das meist Ehrenamtliche. „Wir können darauf stolz sein, dass sich in allen gesellschaftlichen Sektoren eine riesige Anzahl von Menschen unentgeltlich engagiert.“ Rund drei Millionen Österreicher. Für Williams geht daher der logische nächste Schritt in Richtung einer „Bürgerstiftung“. „Eine Art demokratischer Ansatz, etwa wenn sich 50 Menschen in einer Region zusammentun, um vor Ort etwas Gutes zu tun.“ Damit wäre die Lücke geschlossen für eine Art „Gemeinnützigkeit für alle“, die den Geist von phílos und ánthrōpos in sich tragen.

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