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In den USA ist man stolz, wenn der Pest-Manager kommt, bei uns weniger
In den USA ist man stolz, wenn der Pest-Manager kommt, bei uns weniger
MLADENBALINOVAC / E+

Schädlingsbekämpfer - aus die Maus

05.06.2024 um 12:37, Jürgen Philipp
min read
Die Rattenpopulation in Städten steigt und die Bettwanzen sind zurück: ein Fall für die Schädlingsbekämpfer. Eine Brache zwischen Regulatorien und Hightech.

Wenn Michael Dzhafarov, Projektleiter von Pesttech, mit seinem Team ausrückt, wird es meist tierisch. Ratten, Tauben, Schaben bis hin zu Siebenschläfern oder Bettwanzen können auf die Pest-Manager, wie sie im angloamerikanischen Raum genannt werden, warten. „Rattenbefall kommt selbst in den besten Häusern vor. Die Zahl der Fälle steigt in letzter Zeit.“ Besteht der Verdacht auf Bettwanzen, kann auch schon mal ein Vierbeiner die Crew begleiten. Mit einem Bettwanzenspürhund werden die kleinen Quälgeister aufgestöbert. „Bettwanzen verstecken sich extrem gut. Sie stecken in Ritzen unterm Lattenrost oder sogar in Steckdosen. Die Menschen erkennen den Befall erst, wenn sie von Stichen oder Bissen attackiert werden. Meist ist es der Arzt, der sie darauf hinweist.“ Auch Ratten sind Überlebenskünstler. Wer denkt, Rattenbefall selbst bekämpfen zu müssen, stößt schnell an seine Grenzen. „Ratten haben Vorkoster. Wenn jemand Gift ausstreut und eine Ratte fällt tot um, greifen die anderen den Köder nicht an.“ Die Profis ­verwenden daher ­eigene, gesetzlich streng kontrollierte Wirkstoffe. Mit Speck fängt man auch keine Mäuse mehr, denn auch sie sind äußerst gewieft. „Nager haben Neophobie, sprich, sie fürchten sich vor allem Neuen.“ 

Von Käfern, Schwämmen & Pilzen
Peter Fiedler, stellvertretender Bundesberufszweigvorsitzender der Schädlingsbekämpfer, kennt die Branche aus dem FF. „Wir sind nicht glücklich über den Namen Schädlingsbekämpfer, haben aber noch keinen besseren gefunden. International nennt man uns Pest-Controller oder Pest-Manager.“ Die drei großen Tätigkeitsfelder sind der Schutz der menschlichen Gesundheit, der Schutz von Lebensmitteln und Materia­lien und der Holz- bzw. Bautenschutz. „Die menschliche Gesundheit betrifft vieles mehr als Bettwanze oder Nager. Es gibt auch verschiedene Gelsenarten oder die Pharaoameise, die Krankheiten übertragen können.“

Der Schutz von Lebensmitteln und Materialien ist in der EU-Lebensmittelhygieneordnung festgeschrieben. „Jedes Unternehmen, das mit Lebensmitteln zu tun hat, vom Bauern über den Transport bis zur Verabreichung im Supermarkt oder Gastrobetrieb, ist dabei eingeschlossen. Vom Würstelstand bis zum Haubenlokal.“ Dieses Monitoring gilt als Präventionsmaßnahme. Die Spezialisten erkennen den Schädlingsbefall bereits in Ansätzen und können gegenwirken. Beim Bautenschutz gibt es zwei Extremausprägungen, wie Fiedler verrät: „Etwa, wenn der Dachstuhl vom Hausbockkäfer befallen ist oder Kulturgüter gefährdet sind. Aber auch Mauerschwammsanierungen und Nassfäule­pilze gehören dazu. Echter Hausschwamm ist gefährlicher als ein holzzerstörender Pilz und er ist leicht übertragbar.“ Hausschwämme können Holz im Umkreis von zehn bis 15 Metern zersetzen. Oft kommen ­diese Schädlinge in Kellern vor und verbreiten sich über Holzpaletten oder Holzverschlagstüren. Im Extremfall müssen etwa Nagekäfer begast werden. „Das dürfen nur Meister“, ergänzt Dzhafarov. Auch die Vogelabwehr gehört zum Geschäft: „Da geht es meist um Tauben, Sperlinge oder Möwen. Die dürfen wir nur abwehren. Tauben stehen unter Schutz.“ Abgewehrt wird mit Vernetzungen, mechanischen, akustischen oder elektrischen Hilfsmitteln.

Michael Dzhafarov

In den USA ist man stolz darauf, wenn der Pest-Manager da ist, denn es ist ein Zeichen, dass proaktiv gegen Schädlinge gearbeitet wird.

Michael Dzhafarov, Projektleiter Pesttech
Begasung
Steckt einmal der Holzwurm drin, hilft nur noch großflächige Begasung

Neue Schädlinge durch Klimawandel
Dass der Branche die Arbeit nie ausgehen wird, daran ist auch der Klimawandel beteiligt. Nach und nach breiten sich neue Arten von Schädlingen aus. Fiedler: „Durch das wärmere Klima können sie besser überleben. Ein Beispiel ist die Tigermücke. Sie stammt aus subtropischen Regionen, verbreitet sich aber durch den internationalen Transport. Erste Eintritte in Europa verzeichnen wir in Spanien, Italien, aber auch Bulgarien und Rumänien.“ Mücken die Dengue oder Fleckfieber übertragen können. Aber Fiedler gibt Entwarnung. Nicht alles ist so gefährlich, wie es oft medial dargestellt wird. „Die oft zitierte Dornfingerspinne kommt nicht so häufig vor, wie man sich das vorstellt. Das sind nur vereinzelte Tiere.“ Doch es kann mit der Zeit zu einem Thema werden. „Die meisten Insekten sind mesophil. Sie lieben mittlere Temperaturen zwischen 20 und 40 Grad, unter 10 Grad gibt es kaum Aktivität. Das Optimum liegt zwischen 28 und 35 Grad.“ Das betrifft natürlich nicht nur Exoten, sondern auch unsere heimischen Arten. „Die Anzahl der Generationen pro Jahr und die Entwicklung der Menge pro Generation sind durch die höheren Temperaturen begünstigt.“ Durch milde Winter mit geringen Frosttagen steigen die Überlebenschancen zusätzlich. „Leider geht uns die Arbeit nicht aus.“

Bettwanzenspürhund
Auch mit Bettwanzenspürhunden wird ausgerückt, um die kleinen Quälgeister aufzustöbern. Bettwanzen finden immer wieder raffinierte Verstecke

Integrated Pest Management.
Doch wie sind Schädlinge eigentlich definiert? „Es gibt die EU-Norm EN 16636. Dort werden einige Arten angeführt. Doch wann ist ein Schädling ein Schädling? Eine Ameise im Garten ist willkommen, Ameisen im Krankenhaus, die dir unter den Gips kriechen, wohl weniger. Der Kontext macht das Tier zum Schädling. Wir greifen nur dort ein, wo es notwendig ist“, so Fielder. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sind die Schädlingsbekämpfer verstärkt in der Prävention tätig. „Wir haben schon seit 30 Jahren Integrated Pest Management. Damit schauen wir, wie man es baulich, organisatorisch und physikalisch verhindert, dass es zu Befall kommt. Es geht weg von der Bekämpfung und hin zur Präven­tion und Umfeldgestaltung.“ Dabei setzt die Branche auf Hightech: „Beim Monitoring setzen wir auf digitale Unterstützung. Wir haben aber noch einen verstaubten Charakter, obwohl wir uns als Techniker auf hohem Standard verstehen. Ein Kollege aus England ­meinte einmal zu mir: ,They look at us as Rat-Rambos‘, und das ist genau das, was wir nicht sind.“ Der Beruf vereint Wissen in Biologie, Physik, Chemie, der Anwendungstechnik, Mechanik und „eine riesige Portion Hausverstand. Wir müssen uns immer fragen: Was würden wir tun, wenn wir ein Schädling wären?“

Peter Fiedler

Ein Kollege aus England meinte einmal zu mir: ,They look at us as Rat-Rambos´, und das ist genau das, was wir nicht sind.

Peter Fiedler, stv. Bundesberufszweigvorsitzender
Schädlingsbekämpfung
Schädlingsbekämpfer brauchen Kenntnisse der Biologie, Physik, Chemie und Mechanik

Die Rückkehr der Bettwanze
Der Mensch ist immer noch der ­beste Freund der Schädlinge, denn von ihm wird ihnen vieles am Silbertablett serviert. Am besten lässt sich das durch die ständig steigende Zahl von Rattenbefall messen. Seit 2005 gehen die Zahlen in den ­Städten wieder in die Höhe. „Es gibt immer mehr Gastroaktivitäten in der Öffentlichkeit, wo Müll anfällt, oder Essensreste, die achtlos am Boden landen, alles potenzielle Nahrung für Schädlinge.“ Reisen begünstigen das Einschleppen von Bettwanzen. Das lässt sich sogar messen. „Bettwanzenbefall ging in der Coronazeit stark zurück. Mittlerweile gibt es in fast allen großen Städten weltweit wieder ein Bettwanzenthema. Die Stadt New York hat eine eigene Website eingerichtet, auf der man sehen kann, wo es Bettwanzenbefall gibt.“ Und natürlich spielt der globalisierte Warenhandel eine gewichtige Rolle. Container können begast werden und Palettenholz dementsprechend behandelt, damit keine Holzschädlinge eingeschleppt werden. Das passiert meist auf den großen Häfen, vereinzelt auch in Österreich. „Wenn es eine Vermutung gibt, werden auch hier Quarantänebegasungen vollzogen.“

Kenntnisse
Durch falsche Anwendungen bzw. geringe Kenntnis der Materie von Laien kann ein Schädlingsbefall erst richtig prekär werden

Diskretes Handeln
Aus all diesen Gründen rückt Michael ­Dzhafarov mit seinem Team täglich aus, um die Gesundheit der Menschen und die Sicherheit von Gebäuden zu gewährleisten. Da ist oft Diskretion gefragt: „Viele Kunden wollen, dass wir unsere Autos nicht vor ihrem Gebäude parken. In den USA ist man stolz darauf, wenn der Pest-Manager da ist, denn es ist ein Zeichen, dass proaktiv gegen Schädlinge gearbeitet wird.“ Und vielleicht steigt ja auch mit der Zahl der Schädlinge die Wertschätzung einer Branche, die für unsere Gesundheit im Einsatz ist.

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