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Peter Engert, Geschäftsführer ÖGNI
Die ÖGNI zertifiziert Bauprojekte nach nachhaltigen Kriterien. Geschäftsführer Peter Engert sieht die Baubranche in einem großen Transformationsprozess.
Die ÖGNI zertifiziert Bauprojekte nach nachhaltigen Kriterien. Geschäftsführer Peter Engert sieht die Baubranche in einem großen Transformationsprozess.
ÖGNI

Peter Engert, ÖGNI, zur Zukunft der Baubranche

25.09.2023 um 08:44, Jürgen Philipp
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ÖGNI-Geschäftsführer Peter Engert im Interview darüber, wo die Chancen für die Baubranche liegen. Zwischen Sanierung, Bodenversiegelung und Klimawandel.

CHEFINFO: Ist die Sanierung von Gebäuden von der allgemein schlechten Lage am Bau entkoppelt?
Peter Engert: Im Moment noch nicht, weil noch zu wenige Projekte am Markt sind, aber der Druck über die ESG-pflichtigen Eigentümer baut sich rasch auf. Sanierung, Aufstockung und Verdichtung von Gebäuden wird das zentrale Thema werden. Bauen auf der grünen Wiese geht bald nicht mehr. Bei bestimmten Projekten oder Bauten von Gemeinnützigen ist das leider noch egal, aber bei den gewerblichen Immobilienentwicklern, die nicht von staatlichen Geldern abhängig sind, wirkt die EU-Taxonomie-Verordnung 1:1 hinein. Daher würde ich jeder Baufirma empfehlen, sich Kompetenz in der Sanierung aufbauen. 

Welche Kompetenzen braucht man dazu?
Engert: Es sind zwei zentrale Themen. Erstens: Alte Bausubstanz ist manchmal kompliziert, manchmal muss man einfach neu bauen. Baukastenmodelle, die modular beim Neubau verwendet werden können, fehlen in der Sanierung noch. Bei einer Sanierung habe ich daher immer eine individuelle Lösung. Zweitens: Eine reine Aufstockung eines Gebäudes geht nicht mehr. Es muss wegen der Taxonomie das ganze Gebäude saniert werden. Es braucht also Kompetenz, die mir garantiert, dass ich alle Ziele erreiche. Früher hat man etwas bestellt, eingebaut, und damit was es gut so. Heute muss alles zusammenpassen, und jeder Schritt muss bewiesen werden, um Greenwashing zu vermeiden. Sanierung ist viel intensiver in der Beschäftigung und der Beauftragung. Ich muss bis zum Monitoring alles durchführen. 
Sanierung ist eindeutig nachhaltiger, ist es aber auch günstiger, ein Gebäude zu sanieren als neu zu bauen?
Engert: Sanierung wird insofern günstiger, weil die hohen Nebenkosten, wie Grundstückspreise bzw. Deponie- und Transportkosten stark gestiegen sind. Es zahlt sich also nicht mehr aus, etwas abzureißen, wenn nur der Funke besteht, das Gebäude noch weiter nützen zu können. Dass Nachhaltigkeit teuer ist, ist also ein Schwachsinn. Es fehlt aber noch an Weitblick. Die Vorgaben an einen Geschäftsführer, der ein neues Firmengebäude errichtet, sind nach wie vor die maximalen Investitionskosten. Die Maßgabe sollte aber sein, was mich das Gebäude pro Quadratmeter kostet. Ich kenne kein Unternehmen, das etwa bei Dienstfahrzeugen vom Anschaffungswert als Maßgabe ausgeht. Es werden die Kosten pro Kilometer errechnet. 

Wenn ein gewerblicher Immobilienentwickler Immobilien errichtet und verkauft, und sie stehen auf Land, wo letztes Jahr noch Kukuruz gewachsen ist, wird es keine grüne Zertifizierung geben.

Peter Engert, Geschäftsführer ÖGNI

Der Klimawandel bringt Extrem­wetterereignisse mit sich. Könnte das nicht einen weiteren Boom für die Sanierung, sprich für die Rüstung des Gebäudes gegen solche Ex­treme, bringen?
Engert: Ja. Wir überprüfen jedes Haus beim Taxonomiecheck zum einen auf den Energieverbrauch, zum anderen auf Resilienz gegen den Klimawandel. Der Klimawandel ist da und er wird bleiben, daher braucht es Gebäude, die Hagel, Starkregenereignisse, Sturm und Co. aushalten. Wir haben Karten, die bis 80 Jahre in die Zukunft gehen. Ich kann Ihnen also jetzt schon sagen, wo Sie in 50 Jahren noch oder nicht mehr leben können. Dementsprechend kann ich Vorgaben formulieren, etwa das Dach zu verstärken oder zu begründen, bzw. Vorbauten, Schatteninseln oder Schottergruben für Sickerungen zu errichten. Das wird jetzt schon regelmäßig überprüft, und damit wird in die Zukunft geplant. 

Österreich ist trauriger Europameister bei der Flächenversiegelung. Ist Sanierung der wichtigste Schlüssel gegen den Flächenfraß?
Engert: Wenn ein gewerblicher Immobilienentwickler Immobilien errichtet und verkauft und sie stehen auf Land, wo letztes Jahr noch Kukuruz gewachsen ist, wird es keine grüne Zertifizierung geben, und damit kann ich nicht oder nur mit hohen Abschlägen an einen Investor verkaufen. Das Erste was wir verlangen, ist ein Bodengutachten. Dabei wird grob zwischen fruchtbarem Grund, mäßig fruchtbarem und einer sauren Wiese unterschieden. Selbst wenn dort total nachhaltig gebaut wurde, von mir aus alles nur aus Stroh und Holz, voll mit PV-Anlagen, was auch immer, wird das Gebäude immer mit rot bewertet. Wenn der Boden nicht passt, ist das Gebäude rot zertifiziert und nicht grün. 

Ich kann Ihnen also jetzt schon sagen, wo Sie in 50 Jahren noch oder nicht mehr leben können.

Peter Engert, Geschäftsführer ÖGNI

Ist das dann das Ende diverser Fachmarktzentren und weiterer Supermarktflächen?
Engert: Jetzt haben wir einen echten Hebel. Es gibt so viel Leerstand, nicht nachgenutzte Fläche – der Albtraum sind Einkaufszentren –, es ist schon so viel versiegelt. Supermarktketten müssen auch nach ESG-Kriterien berichten, und werden deshalb in Zukunft nur auf bereits versiegeltem Grund bauen können. Leider ist schon viel Unsinn passiert, aber zumindest wird kaum Neues dazukommen.

Sie scheinen, was die Bau- und Sanierungsbranche und ihren Impact auf die Nachhaltigkeit angeht, sehr optimistisch zu sein. Was macht Sie so zuversichtlich?
Engert: Ich bin optimistisch. Es wird eine große Transformation in der Branche geben. Manche werden es schaffen, manche nicht. Es wird Marktbereinigungen in der Immobilienwirtschaft geben, aber wenn es gelingt, wird es Veränderungen zum Besseren geben. Es ändert sich überall viel, etwa in der Mobilität. Die junge Generation will kein Auto mehr besitzen, will es aber nutzen, wenn sie es braucht. Sie verschwenden keinen Gedanken mehr an ein Auto als Statussymbol, sondern sehen es als Werkzeug, das einen von A nach B bringt. Es ändert sich auch viel bei den Lebensgemeinschaften, das bringt andere Bedürfnisse mit sich. Mit 20 will ich in der Stadt leben, mit 50 vielleicht am Land. Wenn Kinder kommen, ändern sich Bedürfnisse. Ich kann nicht immer kaufen oder bauen, wie es diesem Lebensabschnitt entspricht. Das ist mühsam, also mietet man eher. Generell ist dieses „Ich muss haben“ für junge Menschen uninteressant. Ich halte die junge Generation manchmal für eigenartig, aber in manchen Fragen sind sie weit besser aufgestellt, als meine Generation.

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