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Corporate Health - Fit in der Firma

09.10.2023 um 20:00, Michael Schwarz
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Angesichts der ohnehin prekären Lage am Arbeitsmarkt stellt sich die Frage: Muss man noch mehr auf die Gesundheit der Mitarbeiter achten?

Durchschnittlich 14,9 Tage verbrachten erwerbstätige Personen 2022 im Krankenstand, das ergab eine Erhebung der Statistik Austria. Das entspricht einem Plus von 2,6 Tagen im Vergleich zu 2021. Es handelt sich um die meisten Krankenstandstage seit 1995. Betriebliches Gesundheitsmanagement darf also auch nach Corona nicht vernachlässigt werden. Damit das Unternehmen wirtschaftlich „gesund“ bleibt, müssen auch die Mitarbeiter fit sein.

Heilmittel Arbeitszeitverkürzung?
Die Arbeitsmarktsituation ist derzeit sehr angespannt. Auf der einen Seite stehen Arbeitgeber, die dringend nach Arbeitskräften suchen und ihre Angestellten zur Mehrarbeit motivieren möchten, und auf der anderen Seite Arbeitnehmer, die ihre Stunden reduzieren wollen, um eine ausgewogenere Work-Life- Balance zu haben. Die Auswirkungen der 32-Stunden-Woche werden von Politikern und Wirtschaftsvertretern heftig diskutiert. In Bezug auf Mitarbeitergesundheit hat Renate Krenn, Geschäftsführerin des arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Zentrums, eine differenzierte Sicht zu dem Thema: „Eine 32-Stunden-Woche bei angepasster Arbeitslast würde die Gesundheit steigern. Bei verdichteter Arbeitsweise hat sie aber langfristig einen negativen Einfluss auf die Gesundheit.“ Für Gerhard Klicka, Geschäftsführer von IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement, wäre es wichtiger, auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen.

Gerhard Klicka

Viele Menschen werden von Jugend an in ein starres Zeitsystem gepresst, das krank macht.

Gerhard Klicka, Geschäftsführer IBG

Arbeiten im Alter
Wie ein Damoklesschwert schweben sie über unserem Pensionssystem – die sogenannten „Babyboomer“. Lange waren sie der wirtschaftliche Motor unseres Landes, mit ihrem Abgang in den Ruhestand hinterlassen sie schon jetzt eine Lücke im Arbeitsmarkt, die kaum geschlossen wer- den kann. Daher versucht man, Konzepte zu entwickeln, wie die Arbeitswelt für die Generation 60+ attraktiver gestaltet werden kann. „Betriebe müssen umdenken, um die Menschen länger in Beschäftigung zu halten“, meint Klicka. Die Spielräume in der Mitarbeitergesundheit sind unterschiedlich, die Aufgabe des Managements sieht er darin, „einer gesunden und sinnspendenden Arbeit den notwendigen Stellenwert einzuräumen“. Denn eine Beschäftigung zu haben hält fit.

Virtueller Arztbesuch
Ärztezentren versprechen einen niederschwelligen Zugang zu Therapien und diversem Know-how. Sie sind nicht gänzlich unumstritten, doch viele Menschen würden die Vorteile des Herzensprojekts des ehemaligen Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein schätzen. Auf eine Zusammenarbeit mit Unternehmen hat sich Haelsi, das erste hybride Gesundheitszentrum Österreichs, spezialisiert. Laut Haelsi gehen durch Krankheiten und Arztwege 5 bis 10 Prozent der Arbeitszeit verloren. Entgegenwirken will man diesem Zeitfresser durch ein Zusammenspiel aus Online- und Vor-Ort-Angeboten. 30 Ärzte und Therapeuten stehen den Patienten unter einem Dach zur Verfügung. Christopher Pivec, Chief Medical Officer bei Haelsi, sagt dazu: „Onlinebuchungen und Telemedizin sind nur der Anfang und sollten eigentlich selbstverständlich sein.“

Renate Krenn

Bei verdichteter Arbeitsweise hat eine 32-Stunden-Woche langfristig einen negativen Einfluss auf die Gesundheit.

Renate Krenn, Geschäftsführerin ASZ

Für Geist und Seele
Zunehmend problematisch sind die psychischen Erkrankungen. Auf 3,3 Milliarden Euro jährlich belaufen sich laut Arbeiterkammer die Kosten der Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen. Vor allem junge Menschen leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen. Fatal ist die lange durchschnittliche Krankenstanddauer, die liegt nämlich bei 38,5 Tagen. Umgerechnet verbringt daher jeder erwerbstätige Österreicher aufgrund psychischer Erkrankungen 1,5 Tage jährlich im Krankenstand. Die gute Nachricht: In der Prävention psychischer Erkrankungen hat man mehr Spielraum, so Klicka. „Während die psychische Belastungsproblematik eine Frage der Organisation und der modernen Führung ist, kann ich physischen Problemen wie Gelenks- und Bandscheibenproblemen schwerer vorbeugen.“ Auch Führungskräfte dürfen nicht übersehen werden. Besonders im mittleren Management würden sich Maßnahmen zur mentalen Gesundheitsförderung auszahlen. Abteilungsleiter und Teamleader leiden häufig unter Druck von oben und unten und sind daher von psychischen Erkrankungen besonders gefährdet.

Betriebliche Gesundheitsförderung
Betriebliche Gesundheitsförderung erhöht Produktivität & Wohlbefinden der Mitarbeiter im Unternehmen. Wichtig ist, dass auch die Führungskräfte teilnehmen.

Der Chef als Gesundheits-Galionsfigur
Gesundheitsmanagement ist mittlerweile ein fester Bestandteil zahlreicher Betriebe. Ein Aspekt ist die betriebliche Gesundheitsförderung. Das arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Zentrum unterstützt Unternehmen unter anderem in diesem Punkt. Bei Bedarf wird ein individuelles Konzept entwickelt, welches die Bedürfnisse der Mitarbeitergruppen abdecken soll. Ziele sind unter anderem die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, Effizienzsteigerung und Fehlzeitenreduktion. Für den Erfolg maßgeblich ist, dass auch Vorgesetzte an den Maßnahmen teilnehmen. Laut Renate Krenn ist die Vorbildwirkung von Führungskräften einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gesundheit der Angestellten. „Die Verantwortung, das Thema Mitarbeitergesundheit im Unternehmen zu positionieren, liegt bei der Geschäftsführung“, sagt sie, „Führungskräfte müssen darüber hinaus gesunde Arbeit wollen und auch vorleben.“ Laut IBG beeinflusst das Führungsverhalten das Befinden von Mitarbeitern 3,6-mal stärker als gesunde Ernährung. Die Pandemie hat viele Geschäftsführer unfreiwillig zu Gesundheitsmanagern werden lassen. Auch in Zukunft sollte Corporate Health nicht auf der Strecke bleiben. Führungskräfte können mit gutem Beispiel vorangehen, die Mitarbeiter werden nachziehen.

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