Direkt zum Inhalt
Polizisten und die Angeklagten im Gerichtssaal.
Ärzte kämpften zwölf Stunden vergeblich um das Leben des Opfers.
Ärzte kämpften zwölf Stunden vergeblich um das Leben des Opfers.
TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

Macheten-Mord: Lebenslang für einen der vier Täter

20.03.2024 um 08:47, Simone Reitmeier & APA, Red
min read
Die Urteile im Wiener Macheten-Mord sind gesprochen: Der Hauptangeklagte erhielt lebenslänglich. Die drei anderen Angeklagten 17 bzw. 15 Jahre.

Vier aus Algerien stammende Männer im Alter von 21, 22, 25 und 29 Jahren sind am Dienstagabend am Wiener Landesgericht im Prozess um den so genannten Macheten-Mord im Sinn der Anklage schuldig erkannt und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Für den 22 Jahre alten Hauptangeklagten setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der 21-Jährige bekam 15 Jahre, die 25 und 29 Jahre alten Männer jeweils 17 Jahre Haft.

Vorsätzliche Tötung

Die Geschworenen gelangten mehrheitlich – im Fall des 22-Jährigen einstimmig – zur Ansicht, dass alle vier Angeklagten unmittelbar an der vorsätzlichen Tötung des 31-jährigen Djafaar H. beteiligt waren. Sie lauerten diesem dem erstinstanzlichen Urteil zufolge am 20. April 2023 an der U-Bahn-Station Jägerstraße in Wien-Brigittenau auf und attackierten ihn mit einer 70 Zentimeter langen Machete und Messern, nachdem er mit einem Pfefferspray besprüht und somit außer Gefecht gesetzt worden war. Das Opfer hatte aufgrund der Vielzahl der ihm beigebrachten Verletzungen und des daraus resultierenden Blutverlusts de facto keine Überlebenschance.

Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Tat

Bei der Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit der Männer mildernd gewertet, wobei der Richter betonte, dass man aufgrund ihrer Verwicklung in Drogen-Geschäfte von keinem ordentlichen Lebenswandel ausgehen könne. Beim Jüngsten wurde auch der Umstand berücksichtigt, dass er zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt und somit ein junger Erwachsener war. Erschwerend war "die Brutalität und Rücksichtslosigkeit bei der Tatbegehung", wie es in der Urteilsbegründung hieß. Beim 22-Jährigen, der dem Opfer die Machete zunächst zwei Mal auf den Kopf geschlagen hatte und, nachdem dieser zu Boden gegangen war, wiederholt auf dessen Beine einhieb, sei "nichts anderes als eine lebenslange Freiheitsstrafe in Betracht gekommen", sagte der Richter.

Drei Urteile nicht rechtskräftig

Der 21-Jährige akzeptierte die über ihn verhängte Strafe, während die Rechtsvertreterinnen der drei weiteren Verurteilten Bedenkzeit erbaten. Deren Urteile sind damit nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin war mit sämtlichen vier Urteilen einverstanden. Damit erwuchsen die 15 Jahre für den 21-Jährigen bereits in Rechtskraft.

"Blutrache darf es bei uns nicht geben!"

Die Anklagevertreterin war am dritten und letzten Verhandlungstag mit den Beschuldigten hart ins Gericht gegangen. Sie forderte in ihrem Schlussplädoyer Strafen "am oberen Ende" und für den Hauptangeklagten lebenslange Haft: "Blutrache darf es bei uns nicht geben!" Die Angeklagten seien "wie Brüder" und hätten sich daher gemeinsam dazu entschlossen, den 31-jährigen Djafaar H. zu töten, rief sie den Geschworenen in Erinnerung: "Wenn die Ehre oder der Respekt von nur einem der Brüder verletzt wird, gibt es nur eines: Blutrache. Genau das haben sie gemacht." Die vier Algerier hätten das Opfer "in einen Hinterhalt gelockt" und mit einer Machete und Messern angegriffen, bis der 31-Jährige "zerstückelt da gelegen ist". Die Versionen, die die Angeklagten bei Gericht dargetan hätten, seien absolut unglaubwürdig, betonte die Anklägerin: "Ich bin in meiner Laufbahn noch nie so viel und so schlecht angelogen worden. Es hat mir teilweise weh getan. Alle vier haben uns frech angelogen und für dumm zu verkaufen versucht."

Machete auf Kopf geschlagen

Der Hauptangeklagte hatte in der Schwurverhandlung zugegeben, dem Opfer eine Machete zwei Mal auf den Kopf geschlagen zu haben – allerdings nur, nachdem er von seinem Kontrahenten angegriffen worden sei. Die Mitangeklagten hätten nichts gemacht, hatte der 22-Jährige versichert. Djafaar H. habe ihren Mandanten "beschimpft, erniedrigt, beleidigt", sagte dazu Elisabeth Mace, die Rechtsvertreterin des 22-Jährigen, am Ende des Verfahrens. Ihr Mandant sei "völlig außer sich und sehr angespannt gewesen". Das Beweisverfahren habe ja ergeben, "dass das Opfer ein gefährlicher Verbrecher und Teil einer kriminellen Vereinigung war, die von Algerien aus Drogen verkauft hat", merkte die Anwältin an.

Vielzahl an Verletzungen

Zuvor hatte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk dargelegt, wie grausam der 31-jährige Djafaar H. zu Tode gebracht wurde. Der Mann habe "eine Vielzahl von Verletzungen" erlitten, die ihm "mit scharfen Klingen" und "mit großer Kraft" zugefügt wurden, erläuterte der Sachverständige. Die geringen Abwehrverletzungen sprächen für einen "überwältigenden Angriff" von mehreren Personen.

Gezielt in Falle gelockt

Der Anklage zufolge wurde der aus Algerien stammende Djafaar H., der in Wien Suchtmittelgeschäfte betrieben haben soll, nach vorangegangenen Streitereien von den Angeklagten gezielt in eine Falle gelockt und getötet. Tatwaffen waren demnach eine 70 Zentimeter lange Machete und mehrere Messer. Die Angeklagten kannten das Opfer seit längerem. Alle fünf stammen bzw. stammten aus Constantine, mit knapp 450.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Algeriens, und hatten mangels beruflicher Perspektiven ihre Heimat Richtung Europa verlassen. Djafaar H. war laut Anklageschrift in eine länderübergreifende Suchtgiftorganisation eingebunden, drei Angeklagte sollen für ihn in Wien als sogenannte Streetrunner gearbeitet und Drogen verkauft haben. Bei der Abrechnung soll es zu Unstimmigkeiten gekommen sein, die Beschuldigten – vor allem der 22-Jährige – fühlten sich übers Ohr gehauen und kamen laut Anklageschrift "überein, ihre Probleme mit Djafaar H. endgültig gewaltsam zu lösen".

21-Jähriger legt Geständnis ab

Während der Zweitangeklagte gleich zu Beginn der dreitägigen Hauptverhandlung ein Geständnis abgelegt hatte, bestritten die drei weiteren Angeklagten bis zuletzt, an den inkriminierten Tathandlungen beteiligt gewesen zu sein. Sie wären zufällig am Tatort gewesen, versicherten sie. Dem widersprach Gerichtsmediziner Denk insofern, als er im Großen Schwurgerichtssaal anmerkte, das Verletzungsbild deute auf mehr als eine angreifende Person hin.

Sieben Hiebwunden an Beinen

Laut Gutachten kam Djafaar H., nachdem er zu Boden gebracht worden war, in Bauchlage zu liegen. Dann wurde mit den Tatwaffen gegen seine Extremitäten vorgegangen, was ihn bewegungsunfähig machte. An den Beinen wurden ihm sieben Hiebwunden zugefügt, die die Muskulatur fast ganz zerstörten und beide Wadenbeine durchtrennten. Weitere Hiebe wurden gegen den linken Unterschenkel, die linke Hand und gegen den Kopf gesetzt, was zwei klaffende Wunden im Stirnbereich und einen Schädelbruch bewirkte.

Opfer lag in Blutlache

Erstaunlicherweise konnten die Rettungskräfte den Schwerverletzten nach dem Eintreffen am Tatort noch reanimieren. Der Mann, der sich laut Denk in einer "umfänglichen Blutlache" befand, wurde danach in eine Klinik gebracht, dort notfallmedizinisch versorgt und im Anschluss in eine weitere, auf Gefäßchirurgie spezialisierte Klinik überstellt, wo er auch Kreislauf stützende Medikamente bekam. Zwölf Stunden kämpften die Ärzte um das Leben des 31-Jährigen – diesem wurde sogar noch eine abgebrochene Klinge aus einer Wade herausoperiert – , ehe der Mann infolge des erlittenen massiven Blutverlustes an einem Herz-Kreislauf-Versagen verstarb.

more