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In eine solche Hundebox mit Gittertür wurde der Bub eingesperrt.
In eine solche Hundebox wurde der Bub eingesperrt.
In eine solche Hundebox wurde der Bub eingesperrt.
CHRISTOPHER ECKL / APA / picturedesk.com

Bub in Hundebox: Urteil für Mutter ist gefallen

01.03.2024 um 08:37, APA, Red
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Nach drei Verhandlungstagen steht das Urteil fest: Sowohl die Mutter als auch die Freundin waren zurechnungsfähig und fassten eine mehrjährige Haftstrafe aus.

Der dreitägige Prozess um einen nunmehr 13-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt worden sein soll, hat am späten Donnerstagabend in Krems mit zwei nicht rechtskräftigen Schuldsprüchen geendet. Die 33-jährige Hauptangeklagte muss 20 Jahre in Haft, ihre Komplizin (40) für 14 Jahre. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen.

Frage nach versuchtem Mord

Verurteilt wurde die Mutter wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung. Die Hauptfrage nach versuchtem Mord wurde von sieben der acht Geschworenen nach rund siebenstündiger Beratung bejaht, die beiden weiteren Punkte einstimmig. Die ehemalige Freundin der Waldviertlerin, die Aufträge zu den Misshandlungen des Buben gegeben haben soll, wurde wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin belangt. Hier fiel das Votum der Laienrichter ebenfalls einstimmig aus.

Hohe Strafen erforderlich

Die Höhe der Strafen sei erforderlich, um deutlich vor Augen zu führen, dass die Beschuldigten "mit ihren Handlungen ein Leben fast zerstört hätten", führte die vorsitzende Richterin aus. Auf psychischer Ebene sei der Bub, so wie es ihn vorher gegeben habe, "auf jeden Fall zur Gänze zerstört" worden. Die beiden Frauen müssen dem Kind zudem gemeinsam insgesamt 80.000 Euro bezahlen.

"Folterähnliche Vorgehensweise"

Als mildernd gewertet wurden bei der Kindsmutter der bisher ordentliche Lebenswandel, der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie, dass es teils beim Versuch geblieben ist. Als erschwerend erachtet wurden laut der vorsitzenden Richterin das Zusammentreffen dreier Verbrechen, die Tat gegen einen unmündigen Angehörigen sowie die "heimtückische, folterähnliche Vorgehensweise". Bei der Zweitangeklagten war der bisher ordentliche Lebenswandel ebenfalls ein Milderungsgrund, auf der Gegenseite wurde auch hier die heimtückische Tatbegehung ins Treffen geführt. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel, Opferanwalt Timo Ruisinger gab ebenso wie Astrid Wagner, die Verteidigerin der Mutter, keine Erklärung ab. Sascha Flatz, Anwalt der Zweitangeklagten, meldete umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Beide Frauen zurechnungsfähig

Generell viel Raum nahm am dritten Prozesstag das psychiatrische Gutachten von Peter Hofmann ein. Darin attestierte er der Kindsmutter eine "schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung". Das Stadium der Unzurechnungsfähigkeit sei aber nicht erreicht. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 33-Jährige in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werde. Ähnlich verhielt es sich in Sachen Gefährlichkeit mit der 40-jährigen möglichen Komplizin. Die Beschuldigte sei aber ebenfalls stets zurechnungsfähig gewesen, konstatierte Hofmann, der auch von einem "Jahrhundertfall" in der heimischen Justizgeschichte sprach.

Mutter tut es "schrecklich leid"

Die Aussagen der Angeklagten hatten einander im Prozessverlauf in vielen Teilen widersprochen. Beide zeigten sich teilgeständig. Am Donnerstag gab sich die Mutter zerknirscht und führte an, dass ihr "schrecklich leid tut, was passiert ist". Sie wisse nicht, "wie es so weit kommen hat können" und bereute die Kontaktaufnahme mit der Zweitangeklagten. Die 40-Jährige unterstrich, dass ihr das gesamte Ausmaß der Handlungen nicht bewusst gewesen sei. "Den Fehler kann ich leider nicht mehr rückgängig machen, ich hätte da selber eingreifen müssen." Sie entschuldigte sich unter Tränen beim nicht persönlich anwesenden 13-Jährigen und bei dessen Vater.

Kind musste hungern

Vorgeworfen wurde der 33-jährigen Mutter und Alleinerzieherin, dass sie ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben soll. Zudem soll sie das Kind hungern haben lassen.

Festnahmen 

Festgenommen wurde die Frau am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Sie und die Kindesmutter waren über Jahre hinweg sozusagen ziemlich beste Freundinnen. Die Waldviertlerin soll der Erstangeklagten darüber hinaus wiederholt detailreiche Anweisungen zur Misshandlung des Kindes gegeben haben. Auch der Vorschlag, den Buben in die Hundebox zu sperren, soll von der 40-Jährigen gekommen sein. Von der Frau wurde das allerdings bestritten.

Lebensbedrohliche Zustände

Zugespitzt hat sich die Sachlage von 20. bis 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Die Mutter dürfte den damals Zwölfjährigen bei geöffneten Fenstern mit kaltem Wasser übergossen haben. Die Körpertemperatur des abgemagerten Burschen senkte sich auf 26,8 Grad ab, der Zustand war lebensbedrohlich. Die beiden Frauen telefonierten mehrmals, abends nahm die Zweitangeklagte schließlich Kontakt mit einer an sich nicht in den Fall involvierten Sozialarbeiterin auf und fuhr mit ihr gemeinsam zum Wohnort der Hauptbeschuldigten. An Ort und Stelle alarmierte die Mutter schließlich die Rettung, allerdings erst nach mehrfacher und eindringlicher Aufforderung der Sozialarbeiterin. Das Kind wurde in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt.

Bub lebt bei Vater

Körperlich geht es dem Buben nun wieder gut, er lebt bei seinem Vater. Eine Gutachterin sah beim 13-Jährigen aber die "Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird". Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.

Prüfung der Kinder- und Jugendhilfe

Beleuchtet wurde im Prozessverlauf auch die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe. Nach zwei Gefährdungsmeldungen gab es am 28. Oktober und am 18. November 2022 unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn. Geortet wurden zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme gesehen. Die Kinder- und Jugendhilfe betonte im Vorjahr, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe nach Bekanntwerden des Falls ergeben habe, dass "alle Vorgaben eingehalten wurden". Eine sechsköpfige, unabhängige Expertengruppe wurde eingesetzt.

Hätte der Fall verhindert werden können?

Am Donnerstag bestätigte das Büro von Niederösterreichs Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) auf Anfrage, dass aufgrund neuer, aus dem Gerichtsverfahren bekannt gewordener Details, die sich in der bisherigen Aktenlage nicht abgebildet hätten, eine neuerliche Prüfung des Falls veranlasst worden sei. Auch wurde mitgeteilt, dass der Bericht der Kommission Kinderschutz nun vorläge und über die Ergebnisse in der nächsten Sitzung der Landesregierung am kommenden Dienstag berichtet werde. Im Anschluss solle die Öffentlichkeit entsprechend informiert werden. Opferanwalt Ruisinger will nach Abschluss des Geschworenenverfahrens prüfen, ob seitens der Kinder- und Jugendhilfe die richtigen Schritte gesetzt worden sind. Es dränge sich die Frage auf, ob die Geschehnisse verhindert hätten werden können. In den kommenden Wochen soll das Land mit den etwaigen Vorwürfen konfrontiert werden, kündigte der Jurist im Gespräch mit der APA an.

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