Carmen Jeitler-Cincelli: Orchester statt Solo
Die jüngsten Gemeinderatswahlen in der Kurstadt Baden brachten ein politisches Erdbeben. Die schwarz-grüne Stadtregierung wurde mit Pauken und Trompeten abgewählt, Stadtchef Stefan Szirucsek legte sein Amt zurück. Die Folge: Von den sechs im Stadtparlament vertretenen Parteien mussten zumindest drei zusammenarbeiten, um überhaupt mehrheitsfähig zu sein. Das war die Stunde von Carmen Jeitler-Cincelli, die auf Listenplatz 80 der Stadt-ÖVP kandidiert hatte.
Die Entwicklung kam völlig überraschend. Ich wurde von meiner Partei gebeten, diese Verantwortung zu übernehmen.

Wenn ich eine Auszeit einplane, übernimmt ein anderer
Die Nationalratsabgeordnete und Generalsekretärin im Wirtschaftsbund, die auch als ministrabel gilt, musste neue Prioritäten setzen. „Die Entwicklung kam völlig überraschend. Die großen Kapitel im Leben beginnen oft in Momenten, die wir nie geplant hätten. Ich wurde von meiner Partei gebeten, diese Verantwortung zu übernehmen. Nach intensiven Koalitionsverhandlungen und Rücksprache mit meiner Familie habe ich mich entschlossen, diese große Herausforderung anzunehmen. Meine drei Kinder sind mit 22, 19 und 16 ja schon nahezu erwachsen. Mein Partner ist selbst engagierter Unternehmer und unsere Familie und Freunde sind liebevoll unterstützend. Ich bin ein gut organisierter Mensch – manchmal braucht es aber auch eine entspannte Haltung. Wäscheberge gibt’s auch bei mir manchmal. Viel in der Stadtpolitik lässt sich ohnehin am besten im Team lösen, und bin hier keine One-Woman-Show, wir sind ein Orchester. Wenn ich mal eine Auszeit einplane, übernimmt einfach jemand anderer.

Von Innsbruck nach Baden
Die erste Frau im Bürgermeisteramt der Kurstadt Baden ist Carmen Jeitler-Cincelli nicht. Das war vor ihr schon Erika Adensamer, die von 2007 bis 2010 an der Spitze der Kurstadt stand. Die neue Stadtchefin ist gebürtige Innsbruckerin, seit 2001 in Baden beheimatet und Mutter dreier Kinder. Und sie ist auch nicht das erste nicht als „Schwefelkind“ geborene Stadtoberhaupt: Der legendäre Josef Kollmann (1919 – 1938) stammte aus der nicht mehr existenten Sprachinsel Gottschee im heutigen Slowenien, Kurt-Bertram Staska (2010 – 2016) aus Traiskirchen.
Bürgermeisterin: Pflicht oder Kür?
Sieht sie ihr neues Amt als Pflicht oder Kür? „Ich betrachte es als beides. Es ist für mich ist es schon auch ein Privileg für unsere großartige Stadt im Sinne der Menschen in Baden zu arbeiten. Zugleich empfinde ich es als Pflicht, gerade in dieser enorm schwierigen finanziellen und strukturellen Situation aktiv zu werden und die notwendige Trendwende einzuleiten. Meine langjährige Erfahrung in der regionalen Wirtschaft und Politik gibt mir die Zuversicht, dass ich der Stadt wirkungsvoll dienen kann.“

Wir wollen Ziele rasch erreichen, aber keine Schnellschüsse und immer in Abstimmung mit der Bevölkerung.
Mit welchen Vorhaben geht die Koalition in die nächsten 5 Jahre? "Unser vorrangiges Ziel ist es, die finanziellen Grundlagen der Stadt zu stabilisieren, ohne dabei die Lebensqualität unserer Bürger zu gefährden. Zugleich wollen wir die Innenstadt als lebendigen Wirtschaftsstandort stärken, den Tourismus wieder aufleben lassen, unsere städtische Infrastruktur sanieren bzw. modernisieren, sowie Kasernenareal, Kurbezirk und Bildungscampus entwickeln", so die Bürgermeisterin. "Dabei ist es uns besonders wichtig, alle miteinzubeziehen und für Transparenz und Bürgernähe zu sorgen. Nur so können wir in dieser Situation gemeinsam eine florierende Zukunft unserer Stadt sichern."
Allianz der Vernunft
Doch wird die Koalition auch für die Dauer der Legislaturperiode halten? "Die Zusammenarbeit in unserer Koalition ist von einem außergewöhnlich hohen Maß an Vertrauen geprägt. Auch wenn unterschiedliche Zugänge und Perspektiven zusammenkommen, verfolgen wir alle ein gemeinsames Ziel: die Stadt nachhaltig zu stabilisieren und lebenswert zu gestalten. Meine beiden Vizebürgermeister sind menschlich eine große Stütze für mich. Wir definieren uns als breite Allianz der Vernunft und beziehen auch unsere Opposition konstruktiv und wertschätzend ein."
