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Kraftakt Erziehung: Wer setzt sich durch?
Kraftakt Erziehung: Wer setzt sich durch?
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Rituale - zwischen Zwang und Sicherheit

13.07.2017 um 12:40, Weekend Online
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Durch das Kinderkrippen-Jahr hat sich bei uns viel verändert. BamBam ist selbstständiger geworden, autonomer. Er bestimmt gerne selber, wann und wie viel er braucht. Sei es bei der täglichen Jause, oder auch, ob er schon müde genug ist, um zu schlafen. Da stelle ich mir häufig die Frage: Helfe ich ihm mit Ritualen oder zwinge ich ihm damit nur meine Meinung auf?

Ich habe (m)ein kleines Baby in die Krippe gegeben und jetzt - am Ende des Kindergarten-Jahres - bekomme ich ein Kleinkind zurück. Ein Kind, das eine Vorstellung davon hat, was es will. Ein Kind, das durch Sprache, Mimik und Gestik ausdrückt, was es braucht. Klar, da sind auch entwicklungsbedingte Trotzanfälle und dergleichen dabei. Aber im Grunde zeigt mir unser BamBam sehr gut, was er braucht.

Und nun passiert das Unabwendbare. Ich sage jetzt "früher". Denn früher wusste ich, was mein Kind braucht. Habe ich seine Müdigkeits-Signale deuten können. Seinen Hunger verstanden. Sein Bedürfnis nach Nähe entsprechend gedeutet. Jetzt ist alles (wieder) neu.

Zum Beispiel beim Niederlegen. Sei es abends oder mittags - in 75 % der Fälle passt es nicht. Er will nicht mehr einfach schlafengehen (unabhängig vom Grad der Müdigkeit). Ich habe nichts geändert. Weder Rituale, noch Lieder, Bücher oder ähnliches. Mein Kleiner will einfach nicht mehr so wie früher einfach schlafen, wenn er müde ist. Die Welt ist so aufregend geworden, dass er sich – obwohl er schon Schlangenlinien geht – aus dem Bett wuzelt und unbedingt noch etwas Wichtiges machen oder mir etwas Besonderes zeigen muss.

Erziehungsratgeber vs. Realität

An dem Punkt merke ich, wie in mir ein Kampf stattfindet. Soll ich nun sein neu gewonnenes Recht auf Selbstbestimmung unterstützen und ihm das "durchgehen" lassen oder an unseren alten Ritualen festhalten und deren Einhaltung mit Kampf verteidigen? Ich rotiere, weil in meinem Kopf Erziehungsratgeber rattern und mir innerlich diverse Lehrmeinungen ihre Vorschriften vorbeten.

"Jedes Kind kann schlafen. Kinder brauchen Grenzen. Kinder brauchen die Freiheit zu entscheiden. Bloß nicht zu viel entscheiden lassen, das überfordert Kinder. Beziehung vor Erziehung. Zwang unterdrückt. Regeln geben Sicherheit ..."

Es ist unfassbar, in welchem Ausmaß uns gesagt wird, was wir zu tun haben, und wie widersprüchlich das Thema Erziehung, Grenzen und Nähe mittlerweile debattiert werden. Und dieses Ausmaß anderer Meinungen ist eigentlich das, was mich tatsächlich überfordert. Denn ich verpasse dabei etwas ganz Wichtiges. Meinen eigenen Instinkt als Mutter.

Die alte Generation hilft

Mit diesem Gewirr im Kopf habe ich mich dann ratsuchend an meinen Vater gewandt. Der hat immerhin fünf Kinder groß bekommen, und alle sind etwas geworden. Und als Volksschullehrer in Pension hat er viele Kinder begleitet. Und der sagte mir etwas Schönes. "Das Ritual kannst du immer durchführen, aber ob es bei deinem Kind so ankommt, das kannst du nicht kontrollieren."

Ich habe mich nach einigen Nächten Kampf in der ungeliebten Rolle als die zickige, grantige Mutter erfahren (die ich nicht sein will) und dann einfach umgestellt. Bambam kann jetzt nochmal aus dem Bett raus, wenn er nach Milch, Buch, Lied und Einschmieren noch nicht müde genug ist. Immerhin sind jetzt Ferien, und wir haben die Zeit rauszufinden, wie und was sich verändert hat. Das heißt nicht, dass ich nicht die alten Rituale streiche, aber ich bin dabei herauszufinden, welche sich durch neue ersetzen lassen und ändern.

Ständige Veränderung - für Eltern und Kind

Es ist der neugewonnene schmale Grat zwischen äußeren Regeln und eigenem Willen, den wir jetzt beschreiten. Und der wird uns vermutlich noch länger begleiten. Denn wenn es dann einmal mit dem Schlafen klappt, dann wird’s mit dem Zähneputzen schwer, oder mit dem Beim-Essen-Ruhig-Sitzen und und und ...

Katharina Gindra-Vady ist Mutter, Pädagogin, Bloggerin, Model, Moderatorin, ehemalige Flugbegleiterin. Die große Leidenschaft der Steirerin ist das Schreiben.

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