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Ungekrönte Quoten-Kaiser: Krimis im TV
Ungekrönte Quoten-Kaiser: Krimis im TV
sandr2002/iStock/Thinkstock

Tatortreiniger und Co.: Sexy dank TV-Serien?

22.02.2021 um 09:08, Isabel Folie
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Trat man früher bei der Berufswahl meist in die Fußstapfen der Eltern, hat man heutzutage schier unendliche Möglichkeiten. Bei der Entscheidung beeinflusst uns aber weniger die Schule, als vielmehr das Fernsehen.

Sag mir, was du siehst, und ich sage dir, was du beruflich machen wirst – naja, das ist vielleicht tatsächlich etwas überspitzt formuliert, aber Studien belegen: Das Fernsehen beeinflusst die Berufswünsche von Jugendlichen und auch Erwachsene bekommen durch Serien ganz bestimmte Vorstellungen zu einzelnen Berufen vermittelt. Dabei bildet die bunte Fernsehwelt die Realität aber nicht wahrheitsgetreu ab, weswegen unsere Vorstellungen von bestimmten Berufen verzerrt sind. Dazu kommt noch, dass überdurchschnittlich oft Ärzte, Anwälte oder Kriminalbeamte als die großen Stars auftreten. Ebenso beliebt: kreative Künstler, Designer oder Kellner. Diese falsche Darstellung von Berufsbildern kann sich aber auf unser alltägliches Leben auswirken.

Der CSI-Effekt

Jeder hat schon Lt. Horatio Cain dabei beobachtet, wie er im sonnigen Miami die Verbrecher zur Strecke bringt. Dabei helfen nicht nur die Kollegen, sondern vor allem forensische Beweise: Ein Haar hier, ein Krümel da und schon ist der Täter entlarvt. Viele Menschen übertragen diese Ermittlungsmethoden auf die Realität. Besonders in den USA wird diskutiert, ob ein Effekt bei Geschworenengerichten feststellbar ist. Manche Anwälte berichten aus eigene Erfahrungen, dass Geschworene eher dazu neigen den Angeklagten freizusprechen, wenn in ihren Augen nicht genügend forensische Beweise geliefert wurden.

Auch dass die Arbeit als Forensiker eigentlich in abgeschiedenen Laborräumen stattfindet und mit Zeugenbefragungen und Verhören gar nichts zu tun hat, ist den wenigsten klar. Ebenso wird der Zeitfaktor in Serien komplett verzerrt: Untersuchungen und Analysen im Labor nehmen nun einmal eine gewisse Dauer in Anspruch – auch wenn in der Serie der Fall in 45 Minuten gelöst ist. Einen statistisch messbaren Einfluss hat CSI jedenfalls auf die Studienwahl von jungen Menschen: Forensische Studiengänge konnten in den letzten Jahren einen massiven Anstieg verzeichnen! Ob aber auch mehr Menschen Tatortreiniger werden möchten ...?

Der nächste bitte

Arztserien flimmern seit Jahrzehnten über die Bildschirme. Dabei ist es egal, ob die Ärzte noch in der Ausbildung sind, eine erfolgreiche Privatklinik führen oder sehr spezielle Charakterzüge haben – die Ärzte werden meist als Götter in Weiß dargestellt. Dabei sehen sie natürlich auch noch blendend aus, sind selten überarbeitet und führen ein aufregendes Privatleben. Wunderbar, denkt man sich da als Patient, und schon sind die eigenen Erwartungen an das Krankenhauspersonal ins Unermessliche gestiegen. Muss man dann aber wirklich einmal selbst ins Spital und erfährt dort lange Wartezeiten, überarbeitetes Personal und Ärzte, die nun mal nicht bei jedem Problem eine Antwort parat haben, ist man maßlos enttäuscht. Im Fernsehen läuft das doch ganz anders ab? Aber anstatt dass man nun die Serien als realitätsfremd erachten und einsehen würde, dass dies nun einmal der Alltag in einem Krankenhaus ist, nimmt man die realen Ärzte als inkompetent war – und wendet sich wieder voller Genuss den geliebten Serienhelden zu.

Hugh Laurie als allwissender Dr. House

Der Fleischer als Serienstar?

Mit Dexter wurde sogar ein Mörder als faszinierende Hauptfigur einer Serie etabliert – doch hätte der Fleischer von nebenan ebenfalls das Potenzial, die Menschen an die Bildschirme zu fesseln? Wohl eher nicht … Realitätsnahe Serien verzeichnen meist geringere Einschaltquoten. Da ist es verständlich, dass Produzenten und Regisseure lieber auf ausgefallene und stilisierte Protagonisten zurückgreifen. Und mal ehrlich: Wer nach einem ganz normalen Tag, mit acht ganz normal verbrachten Arbeitsstunden und daran anschließenden ganz normalen Haushaltsaufgaben müde auf die Couch fällt, der hatte für diesen Tag wohl schon genug Normalität.

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