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Ewa Ernst-Dziedzic im Porträt
Ernst-Dziedzic wird bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren.
Ernst-Dziedzic wird bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren.
ROLAND SCHLAGER/APA

Rückzug: Grün-Politikerin legt Agenden zurück

14.03.2024 um 07:51, Stefanie Hermann & APA, Red
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Grün-Politikerin Ewa Ernst-Dziedzic zieht sich aus der Politik zurück. Die LGBTIQ-Sprecherin wird bei der kommenden Wahl nicht mehr antreten.

Die Grüne Abgeordnete und Sprecherin für Außenpolitik, Menschenrechte, Migration und LGBTIQ-Rechte, Ewa Ernst-Dziedzic, wird bei der kommenden Nationalratswahl nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen. Im Gespräch mit der APA kündigte sie ihren Rückzug aus der Parteipolitik an. Bereits am Freitag wird sie die LGBTIQ-Agenden des grünen Klubs übergeben.

Nachfolge unklar

Wer ihr in dieser Rolle, und damit auch in der LGBTIQ-Intergroup, der ersten überparteilichen Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS nachfolgen wird, will die Partei am Freitag bekanntgeben. Auch ihre weiteren Sprecherinnen-Funktionen im Grünen Klub will Ernst-Dziedzic in den kommenden Wochen, noch bevor der EU-Wahlkampf in die heiße Phase geht, zurücklegen. Mandatarin wird sie bis zum Ende der Legislaturperiode bleiben.

Wunsch nach Weiterentwicklung

"Im schnelllebigen Politikalltag fehlt die Zeit für Reflexion, man muss permanent reagieren. Ich möchte mich nach 16 Jahren in Funktion abseits der Parteipolitik weiterentwickeln und Dingen widmen, für die als Politikerin die Zeit fehlt", begründet sie ihren Ausstieg. Ruhen will sie in den kommenden Monaten aber nicht: Einen Antrag zu einem internationalen Abkommen zur Regulierung von Waffensystemen, der in einem internationalen Abkommen münden soll, ein Gesetz, um in Österreich den "Zivilen Friedensdienst" zu etablieren und eine "Demokratie Enquete" will Ernst-Dziedzic noch umsetzen.

Schwarz-Grün gescheitert

"Ich habe, so pathetisch das klingt, immer versucht, demokratieverstärkende Initiativen zu setzen", betonte Ernst-Dziedzic. Man warne nicht umsonst immer wieder vor "Orbanistan" und der Beschneidung von Menschenrechten. "Ich glaube, dass die schwarz-grüne Koalition dem einen Riegel vorgeschoben hat. Aber so ehrlich muss man sein, dass es nicht gelungen ist, nach Rechtsaußen nachhaltig abzudichten. Wenn man sieht, dass die FPÖ derzeit auf Platz Eins liegt, ist es uns nicht gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass mit Demokratiefeinden kein Staat zu machen ist." Auch in Zukunft wolle sie aufzeigen, "was dazu führt, das Österreichs Demokratie beschnitten wird".

Unüberbrückbare Differenzen

In ihren vier Bereichen würden die Grünen und den Koalitionspartner "Welten trennen". Insbesondere die Rechte der LGBTIQ-Community betreffend sei es schwierig gewesen, die "konservative ÖVP und die gesellschaftspolitisch progressiv denkenden Grünen" zusammenzubringen. Letztlich sei mit dem Ende des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer, Entschädigungszahlungen für strafrechtlich verfolgte Homosexuelle, der Erfassung von Hate-Crimes und dem gratis Zugang zur HIV-Prophylaxe "PrEP" aber "viel mehr weitergegangen als in jeder Vorgängerregierung". Sie wolle aber auch "keinen Hehl" daraus machen, dass große Baustellen wie das "Levelling-Up", der Diskriminierungsschutz im Privatbereich und ein Verbot von Konversionstherapien nicht umgesetzt wurden.

Außenpolitik gelungen

In der Außenpolitik habe sie da schon "mehr Handlungsspielraum gehabt", weil die "Parteigrenzen in der Innenpolitik viel abgegrenzter sind, vielleicht sein müssen. Ich bin mir sicher, es gibt keinen anderen Bereich, wo - auf meine Initiative hin - so viele Vier- oder gar Fünf-Parteien Anträge beschlossen wurden." Sie reiste als Abgeordnete in zahlreiche Krisengebiete, beispielsweise sechsmal in die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Selbsterklärtes Ziel ihrer Zeit in der Politik war es, Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen. Das wolle sie auch in Zukunft tun: "Ich werde sicher nicht verstummen, womöglich im Gegenteil. Vielleicht bin ich viel freier, als Politologin in Erscheinung zu treten". Die Rolle eines grünen "Balkon-Muppets" wolle sie aber nicht übernehmen.

Persönliche Zukunft

Um ihre persönliche Zukunft macht sie sich keine Sorgen. "Ich bin ein Mensch, dem nie langweilig war und ich war bisher keinen Tag arbeitslos". Mehr Zeit widmen will sie künftig auch ihren Sprachkenntnissen, etwa durch einen kürzlich begonnenen Russischkurs.

Bewegte Karriere

Begonnen hat Ernst-Dziedzics politische Karriere vor 16 Jahren als Fachreferentin. Bevor die Politologin im Oktober 2019 in den Nationalrat einzog, war sie unter anderem Bezirksrätin in Wien und dann von 2015 bis 2019 Bundesrätin. In dieser Funktion war sie gemeinsam mit David Stögmüller auch die einzige Vertreterin der Grünen im Parlament, nachdem diese 2017 aus dem Nationalrat flogen und erst 2019 wieder eingezogen sind. Parteiintern war sie unter anderem im erweiterten Bundesvorstand und bis 2020 Vorsitzende der Grünen Frauen Österreichs. Derzeit ist sie Vorsitzende der "Grünen Andersrum", der Teilorganisation, die sich für die Gleichstellung der LGBTIQ-Community einsetzt.

Auf Parteilinie war sie dabei nicht immer. "Wenn ich eine andere Einschätzung hatte, habe ich die vorgebracht und intern diskutiert. Meistens sind wir dabei auch auf einen grünen Zweig gekommen." Nur wenn es gegen ihr Gewissen gegangen sei, habe sie sich bei Abstimmungen enthalten. Fünfmal war das der Fall, etwa bei der Impfpflicht oder Abschiebungen von Minderjährigen. "Ich glaube, dass eine starke Debattenkultur immer grüner Anspruch war. Ich bin dabei nie öffentlichkeitswirksam gegen die Partei ausgeritten."

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