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Der einst gefeierte Tennisstar Boris Becker
Der einst gefeierte Tennisstar Boris Becker
Arne Dedert/dpa/picturedesk.com

Gefallene Helden: Sport-Stars und ihr Leben danach

18.07.2017 um 11:46, Weekend Online
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Von Ruhm und Glanz ist wenig über. Von ihren Fans zu Sportgöttern erkoren, ging’s für viele einstige Superstars nach der Karriere steil bergab. Für einige geht es um nicht weniger als das nackte Überleben.

Sie waren Helden. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt lagen ihnen zu Füßen und erhoben sie zu Göttern. Doch auch Götter können fallen. Sehr tief sogar. Das aktuelle Beispiel eines solchen gefallenen Helden ist natürlich Boris Becker. Der jüngste Wimbledon-Sieger aller Zeiten schuldet seinem einstigen Geschäftspartner und Freund Hans-Dieter Cleven rund 38 Millionen Euro – dies bestätigte unlängst ein Schweizer Gericht. Diese Summe ist umso beeindruckender, da die einstige Nummer eins im Welttennis in der aktiven Karriere allein 25,08 Millionen US-Dollar an Preisgeld abgecasht hat. Nach seiner aktiven Zeit wurde sein Vermögen auf über 100 Millionen Euro geschätzt. Doch jetzt ist offenbar alles weg.

Stars und die Frauen

Und Becker ist bei Gott nicht der einzige Sport-Superstar, der mit dem Umstieg in ein „normales“ Leben Probleme hat. "Spitzensportler ordnen während ihrer Karriere ihr gesamtes Leben der Leistung unter – sie leben für den Sport. Und dann fehlt auf einen Schlag der wichtigste Inhalt ihres Lebens", konstatiert der Sportpsychologe Alois Kogler vom Institut Psychosomatik und Verhaltenstherapie in Graz. "Unvorbereitet fällt man nach einer Sportkarriere unweigerlich in ein Loch."

Und dieses Loch lässt sich auch durch Geld nicht auffüllen. Das größte Problem ist aber, dass die vorhandene Energie nirgendwo mehr hin kann. Man sucht also nach anderwertigen Ventilen – bei Männern sind das oft Frauen und die Sexualität. "Und so eine missglückte Ehe kann natürlich viel Geld kosten", spielt Kogler etwa auf Beckers Scheidung von Barbara an, für die er allein 15 Millionen Euro hinlegen musste. "Die meisten Sportstars haben ja nie richtig gelernt, eine Beziehung mit einer Frau zu führen. Salopp formuliert kann man sagen, dass Frauen in diesen Kreisen einfach da sind und mehr oder weniger benutzt werden können."

Das liebe Geld

Wenig überraschend kommt für den Experten auch die Tatsache, dass viele Stars ihr zuvor erkämpftes Geld schneller rausschmeißen, als sie es früher verdient haben. "Ein Sportler hat sich ja eigentlich um nichts zu kümmern, er muss sich nur auf seinen Sport konzentrieren. Alle Dinge des normalen Lebens werden von Trainern, Managern oder anderen Personen aus dem Umfeld abgenommen. Der Bezug zum Geld fehlt völlig. Dadurch kennen die Sportler die Folgen ihres Finanzkurses nicht. Und wenn dann einer sagt, Boris, das funktioniert nicht, wird sich eben ein Dreck darum gekümmert – es ist ja schließlich immer gegangen."

Frauen ticken anders

Während vielen männlichen Superstars nach der aktiven Zeit also die echten Ziele fehlen und sie von einer Katastrophe in die nächste steuern, ist das bei ehemaligen weiblichen Spitzensportlern anders. "Frauen sind immer mehr auf das Soziale hin orientiert, sie suchen echte Beziehungen – das ist auch bei Hochleistungssportlerinnen nicht anders. Frauen wollen etwas aufbauen, Männer wollen nichts aufbauen, Männer wollen zerstören." Mitunter offenbar eben auch sich selbst …

Paul Gascoigne

Der mittlerweile 50-jährige Engländer galt einst als einer der besten Mittelfeldspieler der Welt. Noch heute wird "Gazza" als Nationalheld verehrt. Dabei fiel er schon in seiner aktiven Zeit durch Skandale auf – bereits 1998, also vier Jahre vor seinem Karriereende, begab er sich auf Alkoholentzug. Laut eigenen Angaben hat er insgesamt schon 400.000 Euro für Entzugsprogramme ausgegeben. Geholfen hat's offensichtlich wenig. Immer wieder tauchen schockierende Bilder des völlig fertigen ehemaligen englischen Teamspielers auf.

Tiger Woods

Erfolgreichster Golfspieler der Geschichte, als erster Sportler überhaupt mehr als eine Milliarde Euro verdient – und dennoch bangt aktuell nicht nur die Sportwelt um Tiger Woods. Die Abwärtsspirale begann sich 2009 zu drehen, als mit "Tigergate" Enthüllungen und Skandale aus seinem Privatleben publik wurden. Sportlich hat er sich zwar zwischendurch wieder erholt – doch dann der Rückschlag: Wegen Rückenproblemen konnte Woods über ein Jahr lang kein Turnier bestreiten. Ende Mai wurde Woods in Florida wegen des Verdachts auf Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss festgenommen.

Mike Tyson

Jüngster Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten und erster Weltmeister, der von den damaligen drei Verbänden anerkannt wurde. Treffsicher war Tyson aber auch beim Produzieren von Skandalen im und außerhalb des Rings. 1992 wanderte er wegen Vergewaltigung in den Knast. 1997 dann der größte Skandal der Boxgeschichte – Tyson biss Kontrahent Evander Holyfield ein Stück des rechten Ohres ab. 1999 saß er wegen Körperverletzung erneut hinter Gittern. Zuletzt ging es wieder aufwärts – Tyson übernahm etwa eine Gastrolle im Kultfilm "Hangover".

George Best

George Best hat sich unsterblich gemacht: "Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben – den Rest hab ich einfach verprasst." Mit diesem Zitat, aber auch mit seinem Talent, das ihm 1968 den Europapokal der Landesmeister mit Manchester United und den Titel "Europas Fußballer des Jahres" bescherte, ist er unvergessen. Diese Trophäe hat er am Ende aber verkaufen müssen. Seine Karriere wurde nämlich nicht nur von Toren, sondern auch der Alkoholsucht begleitet. Im Jahr 2005 hat Best dieses Match verloren – der Beerdigung in Belfast wohnten 100.000 Menschen bei.

O.J. Simpson

Mitglied der NFL "Hall of Fame", 61 Touchdowns, 11.236 Yards, – weltberühmt wurde Orenthal James Simpson jedoch, als er für den Mord an seiner Ex-Frau angeklagt wurde. Trotz erdrückender Beweislast wird er freigesprochen. Seinen 70. Geburtstag verbrachte er dennoch im Gefängnis – wegen eines Raubüberfalls und einer Entführung verbüßt er aktuell eine bis zu 33-jährige Haftstrafe. Noch im Juli soll es eine Anhörung geben, bei der über eine Freilassung von Häftling 1027820 entschieden werden könnte.

Matti Nykänen

Mit gerade einmal 20 Jahren hatte der Finne schon alles gewonnen, was es im Skispringen zu gewinnen gibt: Weltmeistertitel, Vier-Schanzen-Tournee, Gesamtweltcup und olympisches Gold. Nach seinen drei Goldenen in Calgary 1988 begann der Stern des Überfliegers langsam zu sinken. Seine Alkoholkrankheit wurde offensichtlich. Nach der Karriere versuchte er sich erfolglos als Sänger und sogar Stripper. 2004 saß er wegen versuchten Totschlages 13 Monate hinter Gittern. 2010 musste er nach einer Messerattacke gegen Ehefrau Nummer vier wieder hinter Gitter.

Peter Seisenbacher

Verschollen! Seit Dezember des Vorjahres fehlt vom Doppel-Olympiasieger und ehemaligen Weltmeister jede Spur. Der 57-Jährige hätte sich am 19. Dezember vor dem Wiener Straflandesgericht wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verantworten sollen. Seisenbacher tauchte zur Verhandlung nicht auf – und wird seitdem per Europäischem Haftbefehl gesucht. Im Falle einer Verurteilung drohen Seisenbacher bis zu zehn Jahre Haft. Sein letzter bekannter Aufenthaltsort ist Aserbaidschan. Dort hatte Seisenbacher zuletzt die Judo-Herren-Nationalmannschaft trainiert.

Diego Maradona

Die "Iglesia Maradoniana" – in Argentinien hat sich sogar eine eigene Kirche mit nach eigenen Angaben 40.000 Anhängern nach dem "Goldjungen" benannt. Maradona gilt noch heute als begnadetster Fußballer aller Zeiten. 1986 gelang ihm auf dem Weg zu Argentiniens Weltmeistertitel sogar das "Tor des Jahrhunderts". Schlagzeilen lieferte er aber auch abseits des Platzes: Kokainkonsum, Doping, Steuerhinterziehung, Verbindungen zur Mafia – die Liste seiner Vergehen würde Bücher füllen. In Argentinien und in Neapel wird er dennoch immer ein Heiliger sein.

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