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Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál
im Talk: Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál
im Talk: Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál
Wohnservice Wien/Martin Votava

Gaál: "Wir brauchen beim Wohnen faire Regeln"

08.05.2024 um 16:30, Rudolf Grüner
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Kostenfalle Wohnen: Im Exklusiv-Interview erklärt die Wiener Vizebürgermeisterin, wie die Bevölkerung entlastet werden könnte – und wer mit Hilfe rechnen kann.

Die Stadt baut, saniert – und schont dabei die grüne Wiese. Wie will die Wohn- und Frauenstadträtin Kathrin Gaál aus der Preisspirale am Wohnungsmarkt herauskommen? Und warum sind Alleinerziehende besonders betroffen? Wir haben im Rathaus nachgefragt.

Es wird weniger gebaut, vor allem von Gemeinnützigen. Braucht es nicht wieder eine Gemeindebau-Offensive?
Kathrin Gaál: Die ist voll im Laufen: Wir konnten bereits über 1.200 Gemeindewohnungen in zehn neuen Gemeindebauten übergeben. Und es werden laufend mehr. Bis Ende 2025 sind weitere 5.500 neue Gemeindewohnungen in Planung, im Bau – oder bereits bewohnt. Darüber hinaus wurden im Zuge des umfangreichen Sanierungsprogramms 850 neue Dachgeschoßwohnungen geschaffen.

Viele in der Stadt können die Wohnkosten kaum mehr stemmen.
Kathrin Gaál: Wir setzen in Wien an allen Hebeln an, die uns zur Verfügung stehen. So wurde beispielsweise die Wohnbeihilfe auf 151 Millionen Euro stark angehoben, bei gleichzeitiger Erweiterung des BezieherInnenkreises. Das sind strukturelle Unterstützungen, die das Abrutschen in eine Armutsspirale langfristig verhindern. Viele notwendige Kompetenzen, wie ein notwendiger Mietpreisdeckel, liegen allerdings in der Kompetenz des Bundesgesetzgebers.

Wie könnte man den Mietmarkt noch entlasten?
Kathrin Gaál: Ein einheitliches Universalmietrecht ist seit Jahren eine der politischen Forderungen in der Wohnpolitik. Wir brauchen endlich faire, transparente Regelungen für MieterInnen und VermieterInnen, unabhängig davon, wann das Haus errichtet wurde. Auch im Bereich der Befristungen und der Lagezuschläge braucht es Lösungen. Und nicht zuletzt gehören die automatischen Mietpreissteigerungen reglementiert.

Wir nutzen ehemalige Bahnhofsflächen, Industriegelände oder auch aufgelassene Kasernen.

Kathrin Gaál

Bauland ist rar und teuer. Wo kann bei uns überhaupt noch nachhaltig gebaut werden?
Kathrin Gaál: Wir gehen den Weg der sanften Nachverdichtung. Das heißt Sanierung plus mit Dachgeschoßausbau. Wir nutzen aber auch bereits versiegelte brachliegende Flächen für den Wohnbau, etwa auf ehemaligen Bahnhofsflächen wie bei der ehemaligen Remise in der Wolfganggasse. Auch im unbenutzten Industriegelände – beim ehemaligen Gaswerk in Neu Leopoldau – oder auf aufgelassenen Bundesheer-Arealen wie der Theodor-Körner-Kaserne wird gebaut. Entscheidend ist aber immer, dass bei der Nachverdichtung nicht auf die Lebensqualität vergessen wird. Außerdem muss der neu geschaffene Wohnbau zum überwiegenden Teil als leistbarer, geförderter Wohnraum entstehen. Was wir mit der Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ übrigens auch sichergestellt haben.

Frauenstadträtin Kathrin Gaál im roten Blazer
Liefert Antworten: Frauen- und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál

Muss die Stadt nicht darüber nachdenken, neue Flächen ebenfalls freizugeben?
Kathrin 
Gaál: Wir gehen hier sehr behutsam vor. Wien hat über 50 Prozent Grünflächen, obwohl wir gleichzeitig den Wohnbau forcieren – das ist im Metropolenvergleich einzigartig. Dies geht nur, wenn man sich dem Thema behutsam annähert. Unsere weitsichtige Bodenbevorratung hilft uns: Wir haben im Wohnfonds Wien drei Millionen Quadratmeter, die größtenteils für den sozialen Wohnbau reserviert sind.

Wohnen muss nicht nur leistbar, sondern auch klimafit sein …
Kathrin Gaál: Einen Beitrag leisten wir mit der geförderten Wohnhaussanierung: Mit der Offensive ,Wir SAN Wien‘ und mit der kostenlosen Sanierungsberatung ,Hauskunft‘ machen wir unsere Stadt für die nächsten Jahrzehnte zukunftsfit. Außerdem setzen wir mit der neuen Sanierungs- und Dekarbonisierungsverordnung innovative Instrumente ein, um die Sanierung von Wohngebäuden zu erleichtern.

Die Stadt setzt seit Jahren auch auf weibliches Wohnen: Was steht bei Frauen aktuell ganz oben auf der Wohn-Wunschliste?
Kathrin Gaál: Frauen sind nach wie vor ökonomisch benachteiligt. Leistbarer Wohnraum hat also höchste Priorität.  Auch die Themen Sicherheit und Barrierefreiheit sind bei der frauengerechten Planung des Wohnumfelds wichtig. Wir wollen den Wienerinnen den Alltag erleichtern: Flexible Grundrisse, ein sozial unterstützendes Wohnumfeld und Gemeinschaftsräume spielen hier eine Rolle. Außerdem eine starke Infrastruktur und Erholungsräume.

Alleinerziehende erhalten deutlich leichter Zutritt zum günstigen Segment der geförderten Wohnungen.

Kahtrin Gaál

Besonders Alleinerziehende – natürlich aller Geschlechter – tun sich schwer am Wohnungsmarkt …
Kathrin Gaál: Deshalb werden sie in jedem neuen, großen geförderten Wohnprojekt berücksichtigt. Wir unterstützen die Gruppe ganz gezielt. Zum Beispiel mit dem Wohn-Bonus im Gemeindebau. Es gibt einen eigenen Wohnbedarfsgrund „Alleinerziehend“: Damit erhalten sie deutlich leichter Zutritt zum günstigen Segment der geförderten Wohnungen.

Wie schauen diese Vorzeige-Grätzel aus? Und wo wachsen sie aus dem Boden?
Kathrin 
Gaál: Ein Beispiel ist das bereits angesprochene Projekt in der Wolfganggasse in Meidling: mit Gemeinschaftsräumen auf den Etagen, Co-Working-Spaces, Spielplätzen, innovative Wohnungsschnitten und Kinderbetreuungseinrichtungen in unmittelbarer Umgebung. Ein Kindergarten befindet sich direkt in der Anlage, viel Grün- und Erholungsraum steht den Bewohnerinnen und Bewohnern zur Verfügung. Das haben sich jüngst auch unsere Wienerinnen bei der großen Frauenbefragung der Stadt Wien „Wien, wie sie will“ gewünscht. Weitere Projekte mit Fokus auf Alleinerziehende werden in den nächsten Jahren fertiggestellt oder befinden sich aktuell in Planung. Beispiele dafür finden sich etwa in den Projekten in der Podhagskygasse, im Quartier „Am Seebogen“ in der Donaustadt oder auch bei „Wohn.syn. 21“ und „Treibhaus Donaufeld“ in Floridsdorf, sowie bei „Vis a Vis“ im Village im Dritten.

Zur Person: Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál ist in der Stadtregierung seit Mai 2018 für die Ressorts Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen zuständig. Die Favoritnerin sagt: „Frauenpolitische Errungenschaften sind seit Bestehen des kommunalen Wohnbaus in Wien eng mit der Weiterentwicklung des sozialen Wohnbaus verknüpft.“

 

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