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Sarah Müller

Interview mit Hundeprofi Martin Rütter

05.03.2018 um 14:54, Sarah Müller
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Ein Hund müsste man sein! Den ganzen Tag nur schlafen, fressen und spielen. Viele Hunde sind aber sogenannte „Problemhunde“ und knabbern lieber am Sofa als am Kauknochen. Redakteurin Sarah Müller traf den Hundeprofi Martin Rütter zum Interview.

Erkennt man Sie auf der Straße?

Ja das ist so. (lacht)

Und dann kommen sie alle zu Ihnen und wollen einen Tipp?

In Deutschland gab’s mal eine FORSA-Umfrage (Meinungsforschungsinstitut). Mir war klar, dass die Hundeleute mich kennen, aber spannenderweise kannten mich 45 Millionen Deutsche alleine vom Namen – ohne Foto, nur Martin Rütter. Mit Foto haben 86 Prozent der Menschen gewusst, „Ja klar, das ist der Hundetrainer“. Und dann kann man sich ja schon vorstellen, dass das Leben sich natürlich verändert hat. Fotos machen, Fragen stellen, Autogramme geben – das ist vor allem in Deutschland sehr oft der Fall. Aber am schlimmsten war es in Österreich – da ist es mir beim Skiurlaub in der Sauna passiert. Da kam dann auch gleich mal ne Frage zur Hundeerziehung.

Und diese berühmte „kurze Frage“ – was wird denn am häufigsten gefragt?

Das ist ein Riesenspektrum! Der Hund zieht an der Leine, kommt nicht wenn ich rufe, ist aggressiv, ist ängstlich – es gibt nicht die Standard-Frage. Ich mache den Beruf jetzt 24 Jahre und 15 Jahre davon Fernsehen. Das heißt die Popularität ist jetzt schon sehr hoch und sehr gewachsen. Aber spannend ist, dass die Leute mittlerweile verstanden haben, dass es den ultimativen Tipp im Vorbeilaufen gar nicht gibt. Das finde ich ganz schön, dass die Leute verstanden haben, dass zu Erziehung Beziehung gehört. Hundebeziehung ist nicht „ein Tipp und jetzt läuft es“, das ist ein steter Prozess und mit Arbeit verbunden.

Werden Sie dann eher von Männern oder von Frauen angeredet?

Tatsächlich sind es in aller Regel die Frauen. Die kommen aber nicht zu mir und sagen „Oh, der attraktive Hundetrainer!“. Die Arbeit mit den Hunden, die Erziehung, ist nach wie vor Hauptaufgabe der Frauen. Die Männer wollen mit dem Hund raufen, toben, joggen und die Frauen wollen aber Kommunikation, schmusen, spielen.

Was ist der häufigste Erziehungsfehler bei Hunden?

Der häufigste Fehler ist, sich einen Hund zu kaufen ohne sich darüber Gedanken zu machen. Das heißt, die Leute kaufen einen Hund nur aus optischen Kriterien. Einen Hund zu kaufen ist ja auch wie eine Partnerwahl. Ich möchte, dass die Leute mehr darauf achten, welche Charaktereigenschaften oder Rassen zu ihnen passen. Auch ob es ein Welpe sein muss oder lieber ein älterer Hund aus dem Tierheim.

Zu Hunden aus dem Tierheim: Vergisst ein Hund jemals seinen ersten Besitzer?

Nein, nie. Es gab vor ungefähr 30 Jahren eine Untersuchung in Australien, da wurden 30 Welpen im Alter von 7 Wochen für einen Tag zu je einer Bezugsperson gegeben. An diesem einen Tag sollten nur schöne Sachen passieren: schmusen, spielen, füttern, gemeinsam einschlafen. Dann hatten die Menschen und Hunde 6 Jahre lang keinen Kontakt und nach dieser Zeit hatten sich sowohl Hunde als auch Menschen optisch und geruchlich verändert. Alle Hunde zeigten Anzeichen von Widererkennung als sie ihre jeweilige Bezugsperson wieder trafen. Das waren natürlich nur schöne Erinnerungen, aber auch schlechte Erinnerungen vergisst ein Hund niemals. Aber man kann versuchen negative Erinnerungen mit vielen positiven zu überlagern.

In Österreich gibt es das Sprichwort „Wie der Herr, so sein Gscherr“. Haben Sie das schon beobachtet?

Auf jeden Fall! Ich meine das aber gar nicht auf die Optik bezogen. Ich glaube eher, dass sich Charaktereigenschaften im Laufe der Jahre immer mehr annähern. Das beste Beispiel dafür bin ich selbst. Ich bin im Hundetraining tierisch geduldig, ich kann den Leuten ein- und dasselbe tausende Male erklären. Aber im Alltag, also Privatleben, bin ich jemand, bei dem alles zack-zack gehen muss. Durch meinen ersten Hund Nina habe ich damals wirklich Geduld gelernt. Dieser Hund hat mich in den Irrsinn getrieben, nach dem Motto „Nö, das mach ich jetzt nicht!“. Und so habe ich gelernt an der richtigen Stelle Geduld zu haben und der Hund hat gelernt, an der richtigen Stelle mal ordentlich Gas zu geben.

Unterscheiden Sie explizit in Hunderassen? Gibt es für Sie auch unsympathische Hunderassen?

Für mich nicht. Es ist natürlich klar, dass von der Struktur her ein Rottweiler anders tickt als ein Dackel. Ein gravierender Unterschied ist zum Beispiel, dass ein Dackel weitaus aggressiver ist als ein Rottweiler. Trotzdem gilt, dass in einem Wurf von acht Welpen auch acht Persönlichkeiten vorkommen. Ich mag zum Beispiel so schlitzohrige Hunde ganz gerne, die immer einen Plan B haben. Aber bei mir ist das nicht auf Rassen bezogen.

Diese schlitzohrigen Hunde – sind das nicht die schlimmsten, wenn es um die Erziehung geht?

Für mich die schönsten. Wenn du so einen Hund erstmal geknackt hast und der lässt sich auf dich ein, dann ist das einfach das Tollste. Aber da haben Sie schon Recht, das sind die Hunde, die am meisten Probleme machen.

Zum Thema „Hunde knacken“. Im deutschen Fernsehen werden Sie (auf Vox) als der „liebe Hundetrainer“ mit Caesar Milan (auf Sixx) dem „harten Hundetrainer“ verglichen. Was sagen Sie zu dem Vergleich?

Ich sehe das überhaupt gar nicht so. Ich werde oft zu Caesar Milan gefragt und ich würde mich auch wirklich gerne dazu äußern, das Thema ist nur, dass Caesar Milan ein Laie ist. Das ist eine Kunstfigur. Was der Caesar Milan erzählt, wurde in den 80er-Jahren in Europa schon als falsch dargestellt. Seine Grundannahme ist ja, dass man einen Hund dominieren und unterwerfen muss. Es kommt auch ganz oft die Frage, ob man mit ihm zusammen eine Podiumsdiskussion machen könnte. Das würde ich sehr gerne, aber da würde er nie im Leben zustimmen! Es gäbe keine Basis für ein Gespräch, es ist alles schon so überholt, was er da erzählt. Die Hunde werden in der Sendung so lange getriezt bis sie ausflippen, das sind eigentlich keine Problem-Hunde. In den USA muss es im Fernsehen ja immer knallen. Wir (auf Vox, Anm.) zeigen einfach mal das Problem, man sieht den Hund wie er an der Leine randaliert und dann geht es auch gleich weiter.

Wie würden Sie dann Ihren Erziehungsstil zusammenfassen?

Die Zusammenfassung „Belohnungssystem“ stimmt nicht. Zu sagen, dass man nur über positive Verstärkung und Belohnung einen Hund erziehen kann, ist naiv. Es muss auch Korrektur, Maßregeln und ein ganz klares Grenzensetzen geben, denn was ich mache ist nicht Dressur. Es ist Erziehung und zu Erziehung gehört Beziehung. Es muss ganz klar sein, dass wenn ich einen Keks in der Hand halte, der Hund da nicht einfach reinbeißen kann. Da kann ich dann nicht einfach sagen „Darüber reden wir morgen nochmal“, da muss ich dann auch mal sagen „Hey hau ab, geh auf deine Decke!“. Es geht also bei dem Vergleich nicht darum, der eine unterdrückt Hunde und der andere stopft Leckerlis rein. Es geht darum, dass ich die Stärken des Hundes herausarbeite, fördere und wenn der Hund dann einen Aufstand macht, dann setze ich eine total klare Grenze.

Aber Sie erziehen ja eigentlich nur Menschen...

Nur das! Deswegen sehen Sie in meiner Sendung auch nicht, wie ich einen Hund anpacke. Ich erkläre den Leuten was sie tun.

Gibt es da auch Leute, die es einfach nicht verstehen wollen?

Das Wort „wollen“ ist hier entscheidend. Das was ich mache ist ja keine Raketenwissenschaft. Ich halte viele Vorträge an Unis für Verhaltensbiologen, Tierärzte und so weiter und selbst da wähle ich immer eine Sprache, die jeder versteht. Es geht darum, dass ein Mensch bereit dazu ist sich zu verändern und sich auf den anderen einzulassen. Dabei ist klar, dass ich es nicht schaffe, dass sich jeder verändert. Es gibt auch Leute, die sagen „Das finde ich jetzt aber doof, was der da redet“ oder Leute, die sagen „Ich verstehe was er meint, aber das ist mir zu aufwendig“. Und in der Sendung zeigen wir ja auch diese Fälle, die nicht funktionieren. Fälle, in denen sich die Leute auf den Kopf stellen und sagen sie machen das einfach nicht. Also ich würde sagen, dass 1 Prozent der Fälle einfach nicht funktionieren, weil die Leute nicht dazu bereit sind. Das muss man akzeptieren.

Wird man als Hundetrainer gebissen?

Wenn man sich nicht auskennt mit Hunden. Ich mache jetzt seit 24 Jahren Hundetraining und bin in dieser Zeit dreimal gebissen worden. Der letzte Biss ist 14 Jahre her und ich glaube, dass ich in den nächsten 14 Jahren auch nicht mehr gebissen werde. Diese drei Bisse passierten immer, wenn ich sich beißende Hunde trennen wollte. Das war eher wie in einer Kneipenschlägerei: Du mischt dich ein und bekommst selber eine geschmiert. Das heißt, die Hunde waren in totalem Stress und haben „jemanden“ gebissen – das war dann eben ich. Also keine gezielte Attacke. Inzwischen bin ich schon so vorsichtig und habe da ein Auge drauf. Wenn ich also zu einem 70 Kilo schwerem Männer-beißenden Hund nachhause zum Training komme, hat der einen Maulkorb zu tragen. Ich glaube, dass ein Hundetrainer, der regelmäßig und dokumentiert gebissen wird, nicht einschätzen kann wie Hunde funktionieren. Das ist ein total klarer Indikator dafür.

Nach der Fernsehshow, Bühnenauftritt und dem ersten Buch – wann kommt die erste eigene Parfum-Linie „Nasser Hund“?

Also ganz simpel: ein Parfum passt nicht zu Martin Rütter. Bei der Vermarktung einer Marke ist es immer ganz wichtig, dass man sich treu bleibt. Und ich glaube, dass es ein ganz wichtiger Grund ist, warum das alles so erfolgreich geworden ist: Dass ich egal ob vor der Kamera oder zuhause am Sofa, immer der gleiche bin. Und alles was ich sage, denke ich so. Da muss man dann auch aufpassen für was man Werbung macht. Es ist so, dass die Big Player im Hundefutter-Geschäft, die die richtig viel Kohle mitbringen, wollen dass ich als Testimonial dafür werbe. Aber ich kann doch nicht ernsthaft für Hundefutter werben, wobei ich mir denke „Nie im Leben!“. Deshalb bin ich bei solchen Themen auch schnell raus. Wenn es ein Futter geben würde, wo ich sage „Geil!“, wie damals bei Platinum, einer kleinen Firma mit super Futter, dann gerne.

Wie wäre es mit einer eigenen Futter-Marke?

Ja was soll ich noch alles machen?

Steht noch irgendetwas auf der Liste, von dem Sie denken „Das will ich jetzt noch machen“?

Ehrlich gesagt möchte ich, dass alles so bleibt wie es ist. Ich bin wirklich ein sehr sehr glücklicher Mensch und auch sehr dankbar und demütig. Ich habe einen Beruf, der mir total viel Spaß macht und dieses vielschichtige, das da so stattfindet, finde ich einfach großartig. Meine Kinder sind total gesund und irgendwie, keine Ahnung, ist es einfach ein tolles Leben. Aber ich bin auch total darauf vorbereitet, wenn der Spuk vorbei ist. Mein privates Leben ist wirklich sehr unspektakulär, also ich renne nicht auf roten Teppichen herum und geh auf Promi-Partys und so und meine Freunde sind auch immer noch dieselben wie vor der Fernseh-Show.

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