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Alternativer Baustoff: Beton | Credit: Antony Gibbon
Antony Gibbon

Nachhaltig Bauen: Worin wir morgen wohnen

30.09.2021 um 13:25, Gert Damberger
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Holz, Lehm, Hanf und Beton sind altbekannt. Und dennoch, es könnte sich um die Baumaterialien der Zukunft handeln.

1. Beton

Ein Baustoff der Zukunft? Schwer zu glauben. Doch eine relativ neue Entwicklung aus Deutschland könnte dem Universalbaustoff eine regelrechte Renaissance unter dem Zeichen der Nachhaltigkeit verschaffen. Die Rede ist von „Textilbeton“ oder „Karbonbeton“. Beide Begriffe bezeichnen dasselbe, nämlich einen Verbundwerkstoff aus Beton und Kohlenstofffasern („Carbon fibres“). Da diese Kohlenstoffasern im Unterschied zu Stahl korrosionsbeständig sind, kann die Betonschicht über der Bewehrung wesentlich geringer ausfallen. Der Vorteil: schlankere, leichtere Bauteile und weitaus größere Freiheiten in der Formgebung. Der Nachhaltigkeitseffekt ist gewaltig: 75 Prozent weniger Material müssen hergestellt, transportiert, eingebaut und verankert werden. Spätere Sanierungen und Reparaturen, verursacht durch rostende Armierungen, entfallen. Zwar ist Carbon wesentlich teurer als die gleiche Menge Stahl, aber wenn man die Materialersparnis und die Tatsache der weitaus längeren Lebensdauer berücksichtigt, kehrt sich die Aussage in ihr Gegenteil um. 

Baustoff Beton | Credit: Antony Gibbon

2. Hanfziegel

Das ist keine Vision im Cannabisrausch, sondern ein reales Nischenprogramm im Bauwesen. Bei der Gewinnung von Bast oder Hanffasern aus Industriehanf entstehen holzartige Abfälle (“Schäben“), aus denen man in Verbindung mit Kalk Ziegel oder Platten herstellen kann. Das Endprodukt ist zwar statisch nicht tragfähig – es muss mit einem Holz- oder Betonskelett verbaut werden („Ausfachungsmauerwerk“), hat aber dennoch enorme Vorteile. Ein Riesenplus von Hanf ist die Geschwindigkeit, mit dem er nachwächst – und zwar geschieht das 50 mal schneller als Holz. Der allergrößte Trumpf der Hanfziegel ist aber, dass sie eine zusätzliche Wärmedämmung überflüssig machen, sie ja sind selber das Dämmmaterial. Die leichten und diffusionsoffenen Ziegel zeichnen sich durch hohe Schallabsorbtion und -dämmung aus und binden Feuchtigkeit gut (gute Raumluft). In Europa gibt es bereits etliche Hersteller von Hanfbausteinen, unter anderem Unternehmen Naturbauhaus, die Südtiroler Schönthaler OHG oder auch Isohemp SA in Belgien.

Hanffeld | Credit: Jan Woitas / dpa / picturedesk.com

3. Lehm

Seit rund 20 Jahren erlebt der Lehmbau eine kleine europäische Renaissance. „Wie kein anderer Baustoff erfüllt Lehm ökologische und baubiologische Anforderungen. Er ist örtlich verfügbar, schont Ressourcen und ist beliebig wiederverwertbar“, heißt es auf der Homepage der Berliner Architekturbüros Ziegert, Roswag und Seiler, eine Bürogemeinschaft, die sich dem Lehmbau verschrieben hat. Lehm kann bis zu 40mal mehr Feuchtigkeit aufnehmen und wieder an die Raumluft abgeben als beispielsweise Ziegel. Grundsätzlich unterscheidet man "tragenden Massivbau" und "nichttragenden Lehmbau". Massivbauten haben entweder Stampflehmwände oder Wände aus Lehmziegel, beim „nichttragenden Bau“ wird eine Ständerkonstruktion errichtet, die dann wie beim Fachwerkbau mit Lehmbaustoffen gefüllt wird. Man kann aber auch zwischen herkömmlichen Mauern die raumklimatischen Vorteile des Naturbaustoffs nützen – zum Beispiel in Form von fertigen Lehmplatten. Damit lassen sich Wand- oder Deckenverkleidungen oder nicht tragende Trennwände errichten.

Baustoff Lehm | Credit: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa / picturedesk.com

4. Holzbausteine

Die Stuttgarter Firma „Triqbriq“ fertigt aus Wurf- und Schadholz handliche Standardmodule, aus denen Wände und Decken für Häuser entstehen. Diese Module in mehreren Größen werden auf der Baustelle übereinandergestapelt und mit Holzdübeln verbunden – was stark an Lego (oder noch treffender an Matador) erinnert. Ein Stockwerk von etwa 500 m2 Fläche lasse sich nach Angaben der Firma in etwa zwei Tagen errichten. Ein konventioneller Betonrohbau nimmt dagegen zehn bis 20 Tage in Anspruch. Die Firma wirbt mit niedrigen Kosten von etwa 500 bis 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (konventioneller Bau: etwa 900 bis 1200 Euro). Durch Eigenleistung (man braucht keine ausgebildeten Kräfte) ließen sich mindestens 40 Prozent der Montagekosten einsparen. Noch ein Trumpf: das Objekt ist in Kombination mit einer wiederverwertbaren Stahlgründung (Schraubpfahlfundament) komplett recyclebar und das hohe Müllaufkommen im Bau wird drastisch reduziert. 

Baustoff: Holzbausteine | Credit: Alois Litzlbauer / picturedesk.com, TRIQBRIQ

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