Außer Kontrolle: Lampedusa ruft Notstand aus
Angesichts der hohen Zahl an ankommenden Migranten bleibt die Lage auf der süditalienischen Insel Lampedusa angespannt. Über 9.000 Menschen sind seit Montag auf der Insel gelandet. Rund 3.000 Personen verließen am Donnerstag an Bord von Fähren die Insel in Richtung Sizilien und dem italienischen Festland wieder. Damit konnte die Flüchtlingseinrichtung Lampedusas zum Teil entlastet werden. Der Stadtrat der Mittelmeerinsel hatte am Mittwoch den Ausnahmezustand ausgerufen.
Immer neue Ankünfte
Noch 4.200 Migranten befinden sich im Hotspot, teilte das Rote Kreuz mit, das die Flüchtlingseinrichtung verwaltet. Neun Boote mit fast 400 Menschen an Bord trafen am Donnerstag auf Lampedusa ein. Das von der NGO "Sea Watch" betriebene Rettungsschiff "Aurora" nahm 84 Menschen an Bord, die sich auf zwei seeuntauglichen Booten befanden, teilte die Hilfsorganisation mit.
Bürgermeister fordert Lösung
"Wir fordern eine strukturelle Lösung, denn wir können diese Migrationsströme allein nicht mehr bewältigen", sagte Bürgermeister Filippo Mannino und drängt auf die sofortige Verlegung der Migranten nach Sizilien und aufs italienische Festland. Er forderte auch den Einsatz von Marineschiffen, die Migrantenboote vor der Küste Lampedusas aufgreifen sollen, bevor sie die Insel erreichen können.
Lage außer Kontrolle
Bürger Lampedusas demonstrierten am Donnerstag vor dem Rathaus. "Seit 30 Jahren sind wir mit der Migrationsproblematik konfrontiert. So kann es nicht weitergehen, die Lage ist außer Kontrolle geraten", betonten einige Demonstranten. Ein Fackelzug war am Donnerstagabend aus Solidarität mit einem Baby geplant, das am Mittwoch bei der Landung auf Lampedusa ins Wasser gefallen und ertrunken ist. Die 17-jährige Mutter, die sich retten konnte, wird zurzeit medizinisch versorgt.
Bevölkerung solidarisch
"Die Lage auf der Insel ist komplex, aber sie normalisiert sich", betonte Francesca Basile, Sprecherin des Roten Kreuzes auf Lampedusa. Die Bevölkerung zeige sich mit den Migranten solidarisch. So beteiligten sich Inselbewohner vor der Kirche Lampedusas an der Verteilung von Lebensmitteln und Wasserflaschen für die Migranten.
Lage wird sich weiter verschärfen
Der italienische Außenminister Antonio Tajani warnte indes, dass sich die Lage in den kommenden Monaten noch verschärfen könnte. "Italien muss auf europäischer Ebene unterstützt werden. Wir können nicht allein gelassen werden", so Tajani in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Donnerstag. "Europa allein ist nicht in der Lage, ein so großes Problem zu bewältigen, das nicht nur fast ganz Afrika betrifft, sondern auch den Zustrom über die Balkanroute. Deshalb haben wir die Vereinten Nationen und die G20 einbezogen", so der Minister.
Herkunftsländer gefordert
"Ich habe gerade die Botschafter von Guinea und der Elfenbeinküste (Cote d'Ivoire), Länder, aus denen Hunderte von irregulären Migranten nach Italien reisen, ins Außenministerium zitiert und darum gebeten, dass strengere Kriterien zur Eindämmung der Ausreise und zur Annahme von Rückführungen eingeführt werden", erklärte Tajani.
EU unterstützt mit Nothilfe
Die Europäische Kommission steht in engem Kontakt mit den italienischen Behörden, erklärte eine Sprecherin der Behörde am Donnerstag in Brüssel. Derzeit seien rund 450 Mitarbeiter der EU-Asylagentur und von Frontex vor Ort im Einsatz. Auch finanziell werde Italien mit 14 Millionen Euro Nothilfe unterstützt. Das Geld soll helfen, die Flüchtenden zu versorgen und von der Insel zum Festland zu transportieren.
Sondertreffen geplant
Am Freitag soll ein Sondertreffen im Rahmen der EU-Solidaritätsplattform stattfinden. Auf dieser können sich die Mitgliedstaaten über ihre Aufnahmekapazitäten austauschen.
Überwachung in Österreich intensiviert
Auch aus dem österreichischen Innenministerium hieß es am Donnerstag, man stehe mit den italienischen Behörden in Kontakt. Zugleich würde die Überwachung auf dem Brenner intensiviert. Experten gehen aber davon aus, dass die meisten Migranten in Italien bleiben oder nach Frankreich weiterreisen.