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Die Testkits der Firma Lead Horizon
Die Test-Kits von Lead Horizon beschäftigen das Wiener Handelsgericht
Die Test-Kits von Lead Horizon beschäftigen das Wiener Handelsgericht
APA/HANS PUNZ

Corona-Testanbieter: Millionen-Klage gegen Lead Horizon

30.03.2023 um 14:45, APA, Red
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Gegen den Eigentümer von Lead Horizon wird wegen Untreue sowie Urkunden- und Beweismittelfälschung ermittelt. Jetzt droht weiteres Ungemach.

Während die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Eigentümer von Lead Horizon wegen Untreue, Urkunden- und Beweismittelfälschung ermittelt, droht dem Unternehmen, das mit der Herstellung der PCR-Test-Kits des Wiener Covid-Testprogramms "Alles gurgelt" Millionen umgesetzt hat, nicht nur strafrechtliches Ungemach. Das deutsche Unternehmen CoviMedical hat am Wiener Handelsgericht gegen Lead Horizon eine Klage mit einem Streitwert von 3,3 Millionen Euro eingebracht.

Vertragsauflösung gefordert

Der führende Anbieter von Corona-Testlösungen in Deutschland war im März 2022 eine Geschäftsbeziehung mit Lead Horizon eingegangen. Die Wiener PCR-Test-Kits sollten an 200 Standorten in Deutschland flächendeckend ausgerollt werden, um allenfalls für bevorstehende Pandemie-Wellen gewappnet zu sein. Ein Kaufvertrag über eine Million Test-Kits wurde abgeschlossen, den CoviMedical nun allerdings für obsolet erachtet. Unter der Geschäftszahl 31 Cg 93/22v ist am Handelsgericht Wien eine Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags anhängig. Für Lead Horizon sind die Vorwürfe gleichermaßen unberechtigt wie "unhaltbar", wie am Donnerstag betont wurde.

Bedingungen nicht erfüllt

Aus Sicht des deutschen Unternehmens mit Sitz in Dillenburg waren bzw. sind die Test-Kits aus Wien unbrauchbar, weil die angebotene Online-Lösung für das Testen auf eine Infektion mit dem Coronavirus im heimischen Wohnzimmer nicht zuverlässig möglich sei. "Bedingung für den Kaufvertrag war, dass das Authentifizierungsverfahren über eine WebApp einwandfrei funktioniert. Lead Horizon hat im Oktober 2022 eine finale Beta-Version der WebApp mit einer Künstlichen Intelligenz zur Verfügung gestellt. Da ist man bei CoviMedical dann binnen weniger Tage draufgekommen, dass das nicht funktioniert, dass die App nicht in der Lage ist, die Testperson eindeutig zu identifizieren", schildert die Wiener Rechtsanwältin Katharina Kitzberger, deren Kanzlei (Weber & Co) von CoviMedical mandatiert ist, im Gespräch mit der APA.

Andere Umstände

Die Lead Horizon-Geschäftsführung wies diese Vorwürfe gegenüber der APA als "an den Haaren herbeigezogen" zurück. Zugleich wurde betont, die für Deutschland gedachte App sei eine andere als jene, die für das "Alles Gurgelt"-Testprogramm entwickelt wurde: "Die Klage von CoviMedical betrifft ausschließlich den deutschen Markt und hat mit der in Wien eingesetzten Web-App für das Projekt 'Alles Gurgelt' nichts gemein. Insbesondere geht es um eine vollkommen andere WebApp als diejenige, die in Österreich beim Projekt "Alles gurgelt" verwendet wird. In Österreich wird der Testvorgang nicht durch eine künstliche Intelligenz überprüft." Insofern sei der Rechtsstreit "nicht geeignet, die Bevölkerung in Wien, die auf 'Alles Gurgelt' vertraut, zu verunsichern".

Für Deutschland nicht geeignet

CoviMedical kam daher zum Schluss, dass mangels eines zuverlässigen Authentifizierungsverfahrens die Lead Horizon-Test-Kits in Deutschland nicht geeignet waren, für die Zertifizierung bei öffentlichen Stellen und Behörden herangezogen zu werden. "Lead Horizon hat zugesichert, dass ein hundertprozentig sicherer Abgleich der Testperson möglich ist", betont die Wiener Anwältin Kitzberger. Im Vertrauen auf eine zuverlässige Online-Lösung habe CoviMedical die Wiener Test-Kits erworben. "Aber wir haben Bildmaterial, das beweist, dass der vorgebliche Gurgeltest nicht ein Mal von Menschen durchgeführt hat werden müssen, um eine positive Rückmeldung der App zu bekommen", verweist Kitzberger auf in die Kamera gehaltene Haustiere. Die Angaben von Lead Horizon seien somit "nachweislich falsch" gewesen.

Kein Testkit ausgegeben

Der auf Medizinrecht spezialisierte Münchner Anwalt Julian Bartholomä sieht indes neben dem wirtschaftlichen Schaden für CoviMedical ein weiteres, womöglich größeres Problem: "Lead Horizon hat damit geworben, dass man mit ihrem Test-Verfahren EU-Zertifikate bekommt, etwa für den Grünen Pass. Mit den jetzt bekannten Mängeln in ihrer Technologie hat das bedenkliche Aspekte." Auf europäischer Ebene habe es in puncto Sicherheit "klare Vorgaben für EU-Zertifikate gegeben", nämlich das sich die Testperson entweder ad personam in Testcontainern oder -straßen einfinden muss oder bei Web-Lösungen vergleichbare Sicherheitsstandards gewährleistet sind, erläuterte Bartholomä im Gespräch mit der APA. CoviMedical habe jedenfalls aus Sicherheitsbedenken "kein einziges Test-Kit ausgegeben". Für einen Grünen Pass brauche es "entsprechende Sicherheiten. Man ist aus allen Wolken gefallen, als man festgestellt hat, dass die von Lead Horizon angebotene Lösung in Wahrheit keine Lösung ist", meinte der Münchner Anwalt, der ebenfalls das Duisburger Unternehmen vertritt.

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