Terroranschlag in Wien: 6 Männer angeklagt
Jetzt wird offiziell, was schon länger vermutet wurde: Der Attentäter von Wien hatte mehr Komplizen als ursprünglich angenommen. Bei Vorbereitung und Planung soll er tatkräftige Unterstützung von sechs Männern zwischen 21 und 32 Jahren gehabt haben. Ihnen wird Beteiligung an terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord, terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation vorgeworfen.
Amtsbekannte Anhänger des IS
Am 2. April hat der Attentäter in der Wiener Innenstadt vier Passanten erschossen und 23 weitere Menschen schwer verletzt. Der Täter war der Polizei kein Unbekannter. Bereits im April 2019 war er gemeinsam mit einem der Angeklagten (24) vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, weil er Propagandamaterial der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) verbreitet hatte. Im Dezember 2019 wurden beide Männer unter Anrechnung der U-Haft aus dem Gefängnis entlassen. Beide hielten an ihrer radikal-islamistischen Gesinnung und ihrem fundamentalistischen Gedankengut fest. Laut Anklage "weiterhin treue Anhänger des IS".
Pläne in Haft geschmiedet
Noch in Strafhaft soll sich der Attentäter mit Plänen zu einem Terror-Anschlag beschäftigt haben. In der Anklage ist von "Überlegungen" die Rede, "nach seiner Entlassung einen terroristischen Anschlag unter Verwendung von Schusswaffen in der Wiener Innenstadt zu verüben". So soll sich der spätere Attentäter bei einem Mithäftling erkundigt haben, wie man in Österreich an Waffen gelangen könne. Er wolle nach seiner Enthaftung einen Anschlag am Stephansplatz verüben. Der Attentäter habe aus seinen terroristischen Absichten "in der Haft kein Geheimnis" gemacht, betont die Staatsanwaltschaft. Nachdem er auf freien Fuß kam, habe er sich ab April 2020 "immer intensiver" damit beschäftigt.
Waffendeal in der Justizanstalt
Auf der Suche nach Waffen kontaktierte der Attentäter einen Kindheitsfreund, der zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis saß und sich mittels eines illegalen Mobiltelefons nach Waffenhändlern umhörte. Der Kindheitsfreund, ein 32-jähriger Tschetschene, der nun ebenfalls zur Anklage gebracht wurde, soll Gespräche über den Kaufpreis für ein Sturmgewehr sogar bei einem persönlichen Treffen in der Justizanstalt geführt haben. Laut Anklage organisierte er dem Attentäter ein vollautmatisches Sturmgewehr sowie eine Pisotole, jeweils samt Munition.
Mithilfe bei der Anschlagsplanung
Einem 28-Jährigen gebürtigen Afghanen schreibt die Anklagebehörde eine besonders tatkräftige Unterstützung zu. Über eine mögliche Beteiligung von Hashim U. wird bereits seit längerem spekuliert. Seine DNA wurde auf der Waffe und Patronen gefunden. Der gebürtige Afghane soll bei dem Täter gewohnt haben und ihn bei Planung und Umsetzung unterstützt haben.Der Afghane soll sogar seinen Wohnsitz in die Wohnung des Attentäters verlegt haben, "um diesen bei der Vorbereitung und der Planung des Anschlags zu unterstützen". Die beiden hätten "fortan gemeinsam eingehend an der Umsetzung des terroristischen Anschlags" gearbeitet, ist der Anklageschrift zu entnehmen. Auch die Familie des Afghanen soll dem Verfassungsschutz bekannt sein.
Stunden vor der Tat
Aus der Anklage lässt sich rekonstruieren, wie der Attentäter den Ermittlungsergebnissen zufolge die Stunden vor dem Anschlag verbrachte. Am 1. November 2020 suchte er demnach seine Wohnung auf, die er bis zum Anschlag nicht mehr verließ. Am Nachmittag des 1. November stießen der 32 Jahre alte Tschetschene und der 24 Jahre alte Afghane zu ihm, wobei sie "bei den letzten Vorbereitungen zum Anschlag, insbesondere bei der Aufbereitung und Munitionierung der Tatwaffen sowie (...) bei der Herstellung der beim Anschlag getragenen Sprengstoffgürtelattrappe" geholfen haben sollen.
Zeugen der Bewaffnung und Bekennervideo
Am 2. November setzte der Attentäter am frühen Morgen sein Handy auf Werkseinstellungen zurück und postete auf Instagram einen Abschiedsbrief. Im Verlauf des Tages langten dann auch noch sein einstiger Reisebegleiter Richtung Syrien, mit dem er gemeinsam verurteilt worden war, und ein 22-jähriger IS-Sympathisant in der Wohnung ein. Der Anklage zufolge unterstützten die zwei den Attentäter "bei den letzten Vorbereitungen des unmittelbar bevorstehenden Anschlags, insbesondere bei der Auswahl eines potenziellen Anschlagsziels". Diese beiden Männer sahen laut Anklage sogar zu, wie sich der Attentäter bewaffnete, eine gemeinsam mit dem Afghanen gebastelte Sprengstoffgürtelattrappe überstreifte, eine Machete an sich nahm und von 15.08 Uhr bis 16.25 Uhr eine Bekennerbotschaft und den Treueeid auf den IS aufnahm und danach ins Internet stellte. Um 17.44 Uhr stellte der Attentäter auf seinem Instagram-Account dann folgenden Text online: "Bald - so Gott will - werden wir es (das Kalifat, Anm.) zurückbringen wie es ursprünglich war #Islamischer Staat #Kalifat Islamischer Staat #Dubai #Libanon #Saudi-Arabien #Syrien #Frankreich #Griechenland #Deutschland #Türkei #Amerika".
DNA-Spuren auf der Waffe
Belastet werden die Angeklagten vor allem auch von den Ergebnissen mehrerer DNA-Gutachten. Genetische Merkmale des Tschetschenen fanden sich auf der beim Anschlag verwendeten Pistole und am Tatort sichergestellten Patronen. Spuren des Afghanen fanden sich unter anderem an einem Klebebandstück der Maschinenpistole, an der MP-Schulterstütze, Patronen und der Machete. In einem Ergänzungsgutachten schloss die DNA-Sachverständige dezidiert aus, dass es sich dabei um indirekte Spurenübertragung gehandelt haben könnte. Vielmehr seien es "direkte Kontaktspuren".