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Wünsch dir was: Was Wünsche in uns bewirken

24.11.2014 um 11:13, A B
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Schönen Tag! Gesundheit! Viele Kinder! Fahr zur Hölle! Ständig wünschen wir anderen wie uns selbst irgendetwas. Warum wir das tun und was es in uns bewirkt: eine Spurensuche.

Es war einmal ein kleines Mädchen, deren größter Wunsch war es, eine berühmte, erfolgreiche Reiterin zu werden. Ihr Leben wollte sie mit Pferden und auf den großen Turnieren dieser Welt verbringen. Bereits als Teenager hat sie sich diesen Wunsch dann abgeschminkt. Ganz normal, laut dem ­Wiener Philosophen Helmut Hofbauer: „Ich glaube vor dem Hintergrund meiner eigenen Lebenserfahrung, dass wir als Kind größere Wünsche haben, weil wir noch wachsen. Und wir wissen nicht, wie weit wir – sowohl körperlich als auch sozial – noch wachsen werden.“ Wenn Menschen dann erwachsen werden, müssten sie viele Wünsche aufgeben, sei es aus Mangel an Talent oder Möglichkeiten. „Ich würde sagen, dass wir dadurch an persönlicher Größe verlieren. Paradoxerweise sind die Großen oft kleinere Menschen als die kleinen Kinder“, resümiert Hofbauer. Grundsätzlich ändern sich die Wünsche im Laufe eines Lebens: Geht es in der Jugend um Selbstfindung und Berufswahl, drehen sie sich später oft um die eigenen Kinder und eine gewisse Sicherheit, im hohen Alter spielt schließlich die Gesundheit eine zentrale Rolle.

Lebenslänglich

Das Wünschen ist also ein Prozess, der uns ein Leben lang begleitet. Hofbauer: „Das Wünschen bewirkt in uns, dass wir Ziele haben und in Kontakt mit uns selbst sind. Ein Mensch ohne Wünsche ist wie ein Mensch in einem dunklen Keller, der nicht weiß, wo er sich befindet.“ Die Schweizer Psychologin Brigitte Boothe ergänzt um einen weiteren Aspekt: „Wünschen bringt Entspannung. Man kann nichts tun, muss warten, aber es gibt das Glück der Vorstellung und der Fantasie. Wer zum Beispiel um einen Verstorbenen trauert, seufzt: Wärst du doch noch da. Und es kommen ihm schöne Bilder früherer Zeiten, als der Tote noch lebte, in den Sinn. Dann weint man vielleicht, und doch trösten die Bilder.“

Vollkommenheit

Wünsche werden in der Psychologie als Vorstellungen eines idealen Zustands angesehen. Alexandra M. Freund, Professorin für Psychologie an der Universität Zürich: „Anders als Ziele, die nicht nur die anzustrebenden Zustände umfassen, sondern auch die damit verbundenen Mittel, sind Wünsche davon abgelöst, ob und wie man sie erreichen kann.“ So könne man sich beispielsweise wünschen, so reich zu sein wie Bill Gates, so schön wie die junge Catherine Deneuve oder musikalisch begabt wie der Pianist Maurizio Pollini. Dies seien aber für die allermeisten von uns keine realistischen Ziele, die man verfolgen könnte. Wünsche kommen, ganz ähnlich wie Sehnsüchte, mehr aus unseren Vorstellungen von dem, was unser Leben vollkommen machen, was uns glücklich machen würde. „Diese Vorstellungen sind natürlich mannigfaltig geprägt, durch allgemeine gesellschaftliche Normen und Vorstellungen, durch medial vermittelte Bilder dessen, was das Glück und das ideale Leben ausmacht, durch diese Vorstellungen innerhalb unserer Bezugsgruppen und Familien und auch durch ganz indi­viduelle biografische Ereignisse“, so Freund.

Frauen und Männer

Wenigstens am Thema Wünschen scheint der aktuelle Genderwahn großteils vorüberge­gangen zu sein. Alexandra M. Freund erörtert: „Im Gegensatz zu vielen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen sind sich Männer und Frauen viel ähnlicher als dass sie verschieden voneinander sind. In unseren Untersuchungen zu Sehnsüchten finden wir nur sehr wenige Unterschiede zwischen Männern und Frauen – alle wünschen sich Liebe, Geborgenheit, Sicherheit, Erfolg und eben ein gutes Leben.“ Historisch wiederum ist der Fall dann doch ein wenig anders gelagert: „Wär ich ein Mann doch wenigstens nur“, seufzte die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797 bis 1848) in ihrem Gedicht „Am Turme“, und viele ­Frauen mit Freiheitsdrang und Leistungslust kannten diesen Wunsch. Aber: „Heute müssen Frauen nicht Männer werden, um sich zu entfalten und durchzusetzen“, analysiert die Psychologin Boothe.

Kritik

Die Vergnügungsforscherin Gerda Moser von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt geht davon aus, dass Menschen, denen es ­gerade gut geht, drei Phasen durchlaufen: die Lust auf ­etwas, die Lust an etwas und das befriedigte Sattsein. Hier setzt aber auch ihre Kritik an: „Das Wünschen überwiegt und findet immer wieder und allzu viel Ausdruck und Form in den Medien und in der Sprache – bedingt durch den Überfluss, der diese Vielzahl der Wünsche überhaupt erlaubt, weil es erst heute, in einer sogenannten „Überflussgesellschaft“ umsetzbar und somit realistisch geworden ist“, sagt die Wissenschafterin. Vom vergnüg­lichen oder lustvollen Tun und auch vom Sattsein werde mitunter viel zu wenig geredet.

Genießen

Hier fehle oft die Sprache und die Vorbilder für ein erfülltes und befriedigtes Leben. Damit steige natürlich die Unzufriedenheit, weil schon zu viel gewünscht werde oder weil zu viel in Wunschkategorien gedacht und gesprochen werde, was letztendlich bedeutet, dass man oft in Begehrensschleifen und Projekten ­stecken bleibe. Der fromme Wunsch zu guter Letzt muss also lauten: aufs Genießen nicht vergessen!

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