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Stefan Knittel

Zu Hause bei den Back-Schwestern

10.05.2016 um 10:37, Andrea Burchhart
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Drei-Mäderl-Haus: Drei Schwestern, eine gemeinsame große Liebe: süße Mehlspeisen. Sarah, Vanessa und Isabel sind die backenden Guerilla-Sisters. Und sie leben alle unter einem Dach. Mit Style.

Es ist ein sonniger Frühlingstag, als wir die Erfinderinnen der „Guerilla Bakery“ besuchen: Isabel (42), Vanessa (33) und Sarah (29) Scharl. Die gebürtigen Vorarlbergerinnen aus dem idyllischen Schruns leben auch in Wien unter einem Dach. Eh nichts Besonderes, sind ja Schwestern, meinen Sie? In dem Fall schon! Alle drei wohnen zwar im selben Zinshaus an der Rossauer Lände, aber in unterschiedlichen Wohnungen – mehr oder weniger zufällig. Als wir bei Isabel klingeln, werden wir durch stürmisches Hundegebell und Schwanzwedeln begrüßt: Labradormix-Hündin Ella ist sichtlich aufgeregt ob des unbekannten Sonntagsbesuchs. Isabels Mann Frank, Designer aus Hamburg, nimmt uns in Empfang: „Die Mädels sind in Vanessas Wohnung.“ Stylen für die Fotos – auch das muss sein. Tochter Ilvie holt die Mama plus Tanten. Es kann losgehen!

Familienbande & Family Business

Isabel ist die Älteste im Bunde. Im Brotberuf – wenn sie nicht Kuchen bäckt – werkt sie als Journalisten beim Fernsehen, ebenso wie Vanessa. Isabel kam vor 21 Jahren nach Wien und lebt seit 16 Jahren im heutigen „Drei-Mäderl- Haus“, ein Jahr später folgte ihr Vanessa in die Hauptstadt und zog bei ihr ein. Die Jüngste, Sarah, ist Schauspielerin, war Ensemblemitglied der Jungen Burg und führt seit Jänner das „Guerilla Bakery“ Kaffeehaus in der Favoritenstraße. Gerade hat sie einen Film unter Regie von Marie Kreutzer („Gruber geht“) abgedreht. Die junge Mimin war die treibende Kraft hinter der Pop-up-Kuchenwerkstatt. An einem Sonntag beim Cookies-Essen (selbstgemacht, versteht sich!) auf der Couch war die Geburtsstunde der „Guerilla Bakery“. Das Ganze lief da noch nach dem Motto „irgendwann mal“ und wurde nicht sonderlich ernst genommen. Außer von Sarah: Sie postete auf facebook eine Einladung zur „Guerilla Bakery“, der prompt 20 Leute folgten – in ihre Wohnung. „Zehn davon kannten wir gar nicht, die waren einfach mutig und haben geklingelt“, erzählt Isabel. Zur zweiten Bakery kamen bereits 200 Menschen, aßen in den Wohnzimmern der Schwestern Mehlspeisen, tranken Kaffee. „Schon eine halbe Stunde vor Beginn standen sie im Stiegenhaus Schlange. Wir haben wirklich tolerante Nachbarn“, schmunzelt sie. Ein Ausweich-Quartier musste her, ab sofort bespielten die süßen Sisters in regelmäßigen Abständen und für wenige Stunden leerstehende Gassenlokale, Garagen und Blumengeschäfte. Fünf Jahre und Tausende Kalorien später wurden sie mit dem Café sesshaft. Und wollten der Welt ihre Identität und Rezepte nichtweiter vorenthalten: Mitte April erschien ihr Backbuch „Zuckerorgasmus“ im Edel Verlag (ein paar süße Versuchungen daraus finden Sie weiter hinten). Die Leidenschaft fürs Backen und Kochen liegt den Scharl-Schwestern im Blut: Aufgewachsen im großelterlichen Wirtshaus in Schruns, beide Omas begnadete Bäckerinnen und Köchinnen – da musste ja etwas hängenbleiben.

Mit Kind & Hund

Isabel, Vanessa und Sarah befinden sich in ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten – das wird auch in ihrem Einrichtungsstil deutlich. Bei Isabel, die mit Familie und Hund in der geräumigsten Wohnung zu Hause ist, finden sich jede Menge Design-Klassiker und Unikate: Rund um den sicher 2,5 Meter langen Esstisch, den Partner Frank selbst entworfen hat, sind von Ray und Charles Earmes 1950 für Vitra designten Stühle in verschiedenen Farben platziert. Diverse Pagina Kunstobjekte – sei es die große Fotografie vom Strand auf Lanzarote von einem befreundeten Fotografen oder das auf eBay erstandene Gemälde eines chinesischen Künstlers – wirken erwachsen, ohne fad zu sein. Skateboards werden ebenso selbstverständlich als Deko verwendet wie ein Roboter im Retro-Design – ein Geschenk von Frank. „Den habe ich früher Ilvie zum Spielen gegeben. Bis Frank mir gesagt hat, dass er 500 Euro gekostet hat“, erzählt Isabel. In der ganzen Wohnung finden sich Anspielungen auf das gemischte Doppel Vorarlberg/ Wien – Hamburg: auf den Demner Teekisten, die als Beistelltisch dienen, ebenso wie auf Zeichnungen der Family mit „Moin Moin“ und „Griaß di“.

Kunterbunte Wohngemeinschaft

Gegenüber lebt Sarah. Die Schauspielerin und Chefin des Guerilla Bakery-Cafés teilt die Wohnung mit ihrem besten Freund wie früher ihre Schwestern. Ihr Stil: kreativ, jung, etwas exzentrisch. Ein Hirschgeweih dient als Kleiderständer. Dass sie begeisterter Star Wars-Fan ist, kann die 29-Jährige nicht leugnen. Besonders stolz ist Sarah auf eine Original- Darth Vader-Figur aus dem Jahr 1976: Da sah der dunkle Sith-Lord noch ganz anders aus. Ins Auge sticht auch eine große Fotografie an der Wand: ein älterer Herr mit Hut, neben ihm – Cassius Clay (Muhammad Ali). Das Bild entstand spontan während einer New York-Reise der Großeltern. Das Motiv hängt in allen drei Wohnungen. Ebenso Fixstarter bei allen: der Ikea PS Metall- Kasten mit Potenzial zum Design- Klassiker. Die Single-Wohnung Ein Stockwerk unter Sarah lebt Vanessa. In ihrem Vorzimmer sticht sofort das Terrarium ins Auge: Quietschblaue Plastikgämsen, die sich auf grünem (echtem!) Moos tummeln – eine Kreation eines befreundeten Floristen. Vanessa ist stolze Besitzerin der größten Küche – als Freundin eines Kochs ein Muss. Alles ist fein säuberlich geordnet, eine Palette des eigens für die Schwestern in der oberösterreichischen Knollmühle gemahlenen Mehls steht für spontane Backlust bereit. Lieblingsplatz der 33-Jährigen ist der Earmes-Schaukelstuhl vor der bunt durchmischten Gallery Wall. Vor dem Dieter Rams-Regal aus dem Jahr 1960 macht er auch eine ausgezeichnete Figur.

Privatsphäre

Alle unter einem Dach – da ist immer etwas los. Bei unserem Besuch huschen sämtliche Bewohner – vor allem Ilvie und Hund Ella – von einer Wohnung in die nächste. Trotzdem ist es allen wichtig, die Tür zumachen zu können. So gut sie sich auch verstehen, Privatsphäre muss sein. Zum Abschied bekommen wir noch köstlichen Kuchen mit auf den Weg. Darauf hatten wir schon die ganze Zeit gehofft – wäre ja auch viel zu schade, nur als Requisite.

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