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Streicheln und Kuscheln erhöht die Ausschüttung des Glückshormons Endorphin.
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Froh mit Hund & Co.: Warum uns Tiere so gut tun

29.09.2014 um 09:02, A B
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Dass Herr und Frau Österreicher ein Herz für Tiere haben, ist unumstritten. Aber kann das liebe Vieh tatsächlich auch als „Lehrer“ oder sogar „Therapeut“ fungieren? Und sind Tierhalter wirklich die "besseren" Menschen?

"Ich würde nicht unterschreiben, dass Tiere die besseren Therapeuten sind. Werden

Tiere

zu therapeu­tischen und pädagogischen Zwecken eingesetzt, braucht es dazu auch einen ausgebildeten Professionisten. Die richtige Bezeichnung wäre eher Co-Coach", sagt Kurt ­Kotrschal, Biologe, Verhaltensforscher und Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle. Tiere kommen mit allen Generationen gleich gut aus und sind vorurteilsfrei. Sei es bei der "Arbeit" mit hyperaktiven Kindern, mit gestressten Managern oder um Senioren einen neuen Weg aus der Isolation aufzuzeigen. Tierische Co-Therapeuten eignen sich zudem hervorragend zum Schmusen und Herumtoben. "In Anwesenheit von Tieren passieren oft entscheidende Dinge. Kinder, Erwachsene und auch ältere Leute werden lockerer und kommunika­tiver", so Kotrschal weiter.

Vom Geben und Fordern

Wenn Kinder mit Tieren aufwachsen, haben sie klare Entwicklungsvorteile: sowohl in körperlicher, emotionaler als auch sozialer Hinsicht. Das Verantwortungsbewusstsein wird ebenso bestärkt. Doch Vorsicht – Menschen sind immer noch sehr wichtig in diesem Spiel. Leute, die mit Menschen soziale Probleme haben, müssen auch bei Tieren aufpassen, denn soziale Kompetenz hat man gegenüber Mensch und Tier. Mit Tieren ist es ein bisschen leichter eine Beziehung zu haben – sie beurteilen nicht. Kurt Kotrschal: "Meinem Hund ist es komplett wurscht, dass ich schlecht im Kopfrechnen bin. Dem menschlichen Partner gegenüber schäme ich mich aber dafür." Ganz konfliktfrei sind also Mensch-Tier-Bezie­hungen nicht. Das kann auch die forensische Psychiaterin, ­Heidi Kastner, bestätigen: "Gesunde Hunde nähern sich jedem Menschen unbefangen. Der Hund ist ein mir positiv zugewandtes Wesen, das positiv bleibt so lange ich ihn ­anständig behandle. Wenn ich mich einem Hund gegenüber blöd benehme, wird er wahrscheinlich zurückweichen, ­gehen, vielleicht verdattert dreinschauen." Er wird rückmelden, dass das für ihn jetzt nicht gepasst hat. Doch er wird nicht sagen, mit dir rede ich nie mehr, du hast es dir mit mir verscherzt. Der Hund ist ein Begleiter – im Idealfall bis ans Lebens­ende. Er ist jedoch kein Partnerersatz, sondern jemand, für den man Verantwortung übernimmt, die man auch tragen können muss.

Kein Tier – keine Allergie?

Wenn Nachwuchs ins Haus steht, trennen sich viele Eltern von ihren Haustieren, um Allergien auszuschließen. Einige neue Studien belegen, dass dies nicht zwingend notwendig ist. "Tier ist nicht gleich Tier – man darf nicht alle in einen Topf werfen, denn verschiedene Allergene haben eine unterschiedliche Aggressivität. Es scheint auch mitzuspielen, ob die Tiere wirklich steril gehalten werden. Das Kind, das mit dem Hund auf der Wiese herumtollt, wird wahrscheinlich keine Prob­leme haben. Teilen sich beide eine enge Wohnung, kann die Allergenkonzentration sehr hoch sein", so die Humanmedizinerin und Immunologin Erika Jensen-Jarolim. Aber kann man auch nach jahrelangem Kontakt und Umgang mit einem Tier plötzlich eine Allergie dagegen entwickeln? Ja, auch das kann leider passieren. Tiere können auch gegen Menschen allergisch sein und leiden genauso an Allergien wie Menschen. "Wir fangen diese Studien jetzt erst an, es gibt noch kaum Befunde dazu. Ich glaube, es ist eine unangenehme Wahrheit, dass ein Tier gegen einen Menschen allergisch sein kann. Wenn wir gemeinsam mit Hund oder Katze kuscheln, sind da genau so viel menschliche wie auch tierische Allergene mit im Spiel. Ein interessanter Aspekt in der Mensch-Tier-Beziehung über den wir noch viel lernen müssen. Die Veränderung der Umwelt und der Nahrung machen uns beiden zu schaffen", so Jensen-Jarolim weiter.

Gesundes Miteinander

Studien belegen, dass speziell Hundehalter gesünder sind. Zehn bis 18 Prozent suchen weniger oft den Arzt auf. Und zwar deswegen, weil sie einen an­deren Lebensstil haben. Der Hund übernimmt die Rolle des „emotionalen Unterstützers“. Man muss mit ihm raus und kommt auch mit anderen Leuten mehr in Kontakt. Kinder und Erwachsene lernen oft durch Tiere besser Rücksicht zu nehmen als durch Menschen. Das ist aber auch kein Wundermittel. Eine gute Mensch-Tier-Beziehung kann auch das Schmerzmanagement verbessern. Wenn jemand eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, wird ihm ein Hund auch nur begrenzt helfen. Heidi Kastner meint dazu: „Bei Menschen mit schweren psychologischen Erkrankungen, wie etwa Schizophrenie, wird die Behandlung mit Hund nicht anders ausschauen. Manchmal könnte man vielleicht eine beruhigende Medikamention reduzieren, aber das kann ich so in der Form nicht nachvollziehen.“ Haben Menschen auch negative Auswirkungen auf Tiere? Das muss man immer unter dem maximalen Aspekt des Nutzens für beide Seiten sehen. Den Hund zu einem Instrument zu degradieren, der nur gut sein, aber ja nichts selber brauchen darf – das geht gar nicht. ­Natürlich kann eine Falsch­behandlung des Tiers sehr wohl Nebenwirkungen haben. Der Hund geht wahrscheinlich irgendwann auf jemanden los, ist traumatisiert oder neurotisiert. Die Verantwortung in der Tierhaltung geht weit über das unmittelbare Wohlbefinden des betroffenen Vierbeiners hinaus. Er­ziehe ich den Hund zu einer Kampfmaschine, wird vielleicht irgendwann jemand anderer das ausbaden müssen.

Stress und Aggressionen

Wenn die Familie vor lauter Stress eh schon am Umkippen ist und sich dann noch einen Hund anschafft, wird das ­keine gute Entscheidung sein. "An einem Tier kann ich nicht einfach meine Aggres­sionen abreagieren, meinen Stress deponieren, quasi alles Negative aufzwängen – dafür kann und darf ein Tier nicht missbraucht werden! Keine taug­liche Methode jemanden zu verändern", sagt Heidi Kastner. Der "normale" Kontakt mit Haustieren wirkt stressreduzierend, beim Streicheln vermindert sich der Herzschlag. Es ist jedem Katzenbesitzer geläufig, dass sich sein vierbeiniger Freund freut, wenn man heim kommt. Die Katze macht ­einem nie Vorhaltungen. Sie schimpft nicht, ist nicht gekränkt und ignoriert Herrchen und Frauchen nicht.

Sind Tierhalter die besseren Menschen?

Nein. "Diese ganzen verallgemeinernden, simplifizierenden Aussagen sind für mich immer sehr problematisch. Tierbesitzer haben sich dazu entschlossen, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen und natürlich auch die positiven Seiten dieses Zusammenlebens für sich zu nutzen", meint Heidi Kastner. "Wenn ich meinen Vierbeiner acht Stunden am Tag einsperre, bin ich definitiv kein besserer Mensch. Denn jeder Hund, der längere Zeit ohne Bezugswesen zubringt ist ein armer Hund."

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