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Seeigel: Alles zu der Kastanie aus dem Meer

11.03.2015 um 11:34, A B
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In Asien ist das stachelige Meerestier schon seit geraumer Zeit eine Delikatesse. Jetzt erreicht sein hervorragender kulinarischer Ruf auch heimische Küchen. Hier ein erster Geschmackstest von Gerlinde Vierziger.

Spitzfindig wird der Stachelhäuter hierzulande am Teller beäugt. Auch wenn sich die, an eine Kastanie erinnernde, Meeresfrucht immer öfter auf heimischen Speisekarten findet, gilt sie noch immer als Geheimtipp. Nicht immer ist der Seeigel die Hauptattraktion des Menüs, dafür wird er sehr oft dazu benutzt, einem Gericht die gewisse Raffinesse zu verleihen. Von seinem wehrhaften Äußeren sollte man sich nicht täuschen lassen. Wenn man den Dreh, eigentlich den Schnitt, raus hat, lässt sich der Seeigel ganz einfach öffnen. Am besten rückt man ihm mit einer speziellen Schere zu Leibe – vor allem in französischen Küchen benutzen Köche gerne das sogenannte „Coupe-oursin“. Wer selbiges nicht zur Hand hat, nimmt den Seeigel einfach mit einem Tuch oder Handschuh auf und öffnet die Schale mit einer handelsüblichen Küchen­schere. Wichtig ist, wie bei allen Delikatessen aus dem Meer, dass nur frische Tiere auf die Küchentheke kommen. Schon im alten Rom wurde der Seeigel als kulinarische Spezialität betrachtet. In stark gesalzenem Fischfond eingelegt, galt er – auf Weißbrot genossen – als nahrhafter Snack. Bei römischen Ärzten wurde er für seine desinfizierende Wirkung sehr geschätzt.

Kuriose Anatomie

Der Seeigel wirkt mit seiner Kugelform und den langen Stacheln wie eine Laune der Natur, tatsächlich ist er aber ein äußerst ökonomisches und faszinierendes Lebewesen. Er besitzt, was für Stachelhäuter sehr ungewöhnlich ist, einen Kauapparat aus fünf „Zähnen“, die bei Beschädigung sogar nachwachsen. Der Kiefer ist gut beweglich und wird durch zahlreiche Muskeln gesteuert. Im Inneren findet sich sogar eine weiche Zunge. Der griechische Gelehrte Aristoteles beschrieb als Erster den ungewöhn­lichen Kauapparat des Seeigels, der prompt nach ihm bekannt wurde und bis heute die „Laterne des Aristoteles“ heißt. Die Zähne des Seeigels sollte man übrigens nicht unterschätzen, mit den harten Knochenplatten kann er sogar Steine durchbeißen. Mit den zahlreichen, teils sehr harten Stacheln haben viele Urlauber im Meer schon schmerzhafte Bekanntschaft gemacht. Sie dienen dem Seeigel sowohl zur Abwehr von Feinden, allen voran den Seesternen, aber auch zur Fortbewegung und zum Festbohren in Felsen oder Riffen. Manche Arten sind sogar mit Giftstacheln bewaffnet, was beim Menschen zu schweren Entzündungen führen kann, sollte man auf einen dieser Seeigel treten. Zum Einfangen von Nahrung sind die tierischen Kastanien mit kleinen Saugfüßchen ausgestattet, mit denen sie ­Algen und kleine Meerestiere zum Kauapparat manövrieren. Aber auch der Seeigel selbst steht bei anderen ­Tieren auf der Speisekarte. Seeotter, Hummer und Krebse sehen in ihnen eine willkommene Mahlzeit.

Intensiver Genuss

Es sind die inneren Werte, die beim Seeigel zählen. Gegessen werden nur die Reproduktionsorgane, die etwa drei Viertel der Innereien ausmachen. Sie sind sofort an ihrer leuchtenden Farbe und an ihrer Stern-Form auszumachen. Im Süden Europas wird der Seeigel meist roh verzehrt. Ähnlich wie bei Austern wird das fleischige Innere – die sternförmig angeordneten Gonaden – mit etwas Zitrone beträufelt und geschlürft. In italienischen Lokalen wird diese Spezialität „ricci“ genannt und findet sich in Meeresnähe auf vielen Speisekarten. Der Geschmack ist je nach Sorte unterschiedlich, oft wird er als salzig und austernähnlich beschrieben, manchmal aber auch als nussig und an Roquefort erinnernd. Das Fleisch kann natürlich auch gekocht werden (im eigenen Saft gedünstet). Vor allem in Sardinien sind Seeigel eine beliebte Delikatesse, wo sie gerne als Salat oder Pasta-Zutat genossen werden. Auch in Omeletts sind die kuli­narischen Newcomer immer öfter zu finden. In Asien wird der Seeigel zumeist roh verzehrt, dazu wird Sojasauce und Wasabi gereicht.

Gold aus dem Meer

Besonders in Japan hat der Seeigel ­einen hohen kulinarischen Stellenwert. Als wahre Delikatesse gilt dort der Rogen des Seeigels, der auch „Uni“ genannt wird. Seine leuchtenden Perlen finden meist als Sushi Verwendung. Wer ihn nicht roh genießen möchte, kann ihn kurz erhitzen, dann mit Reis anrichten und verzehren. Besonders beliebt sind goldgelber oder oranger Rogen, über den Geschmack scheiden sich allerdings die Geister. Neben absoluten Uni-Liebhabern stößt man immer wieder auf strikte Ablehnung, interessanterweise vor allem von Frauen. Im Land des Lächelns ist der Seeigel-Kaviar trotzdem so beliebt, dass er sogar aus Ländern wie den USA oder Chile importiert wird, um die Nach­frage zu decken. Der Preis für ein Kilogramm des wertvollen Rogens kann bis zu 175 Euro betragen

 

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