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Zoff am Naschmarkt: Marktleben oder doch Fressmeile?

15.12.2014 um 15:14, A B
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Drohen dem Urwiener Markt Touristen & Ramsch statt Vielfalt & Qualität – oder ist alles nur bösartige Propaganda? Weekend Magazin hat nachgefragt.

Der Bauch der Wiener ist in letzter Zeit in Verruf geraten. Horrende Ablösen sollen fällig werden, will man ein schmuckes Standl sein Eigen nennen. Der Markt ist fest in der Hand einiger weniger, so heißt es. Auch die zunehmende Gastronomie ist ein Zankapfel. Die einen lieben das kulina­rische Angebot, die anderen finden es einseitig und fürchten den Verlust des Nahversorger-Charakters. Was ist dran an den Querelen um die Wiener Handelsmeile?

Rettungs-Initiative

Einer, der sich mehr Regionalität und Vielfalt wünscht, ist Peter Jaschke. Mehr als 400 Freunde hat seine facebook-Gruppe „Rettet den Naschmarkt“. Dem engagierten Anrainer stößt die wachsende Gastronomie und die zunehmende „Verramschung“ des Naschmarkts sauer auf: Alte Standler wie der „Gurkerl-Leo“ ­werden immer weniger, dafür nimmt die Zahl der Sitzplätze stetig zu. „Stimmt nicht“, heißt es vonseiten des Marktamts. Der Anteil der Lokale ist mit einem Drittel der Fläche klar reglementiert, daran hält man sich. Jaschke hat selbst nachgemessen – und kam auf mehr als 40 Prozent. Dies liegt u. a. in der Marktordnung begründet: Jeder – egal, ob Obst- oder Gewürz-Händler – darf bis zu acht Sitzplätze anbieten. Die Standler verdienen sich so etwas dazu – völlig legitim und legal, laut Marktamt.

Ablöse-Wucher?

Auch horrende Ablösesummen werden kolportiert. Das Strandhaus soll für mehr als 1 Mio. Euro den Betreiber gewechselt haben, fast ebenso hoch wird „Die Eiserne Zeit“ geschätzt. Susanne Jerusalem, grüne Stv. Bezirksvorsteherin in Mariahilf, sieht Handlungsbedarf seitens der Stadt Wien. Ihr Wunsch: Die Stadt soll freie Stände zurückkaufen und selbst weitergeben. Vielfalt wäre so gesichert, die Ablösen würden wieder in realistische Bereiche kommen. Derzeit befindet sich ein Drittel der Stände in Privateigentum, der Grund ist von der Stadt Wien gepachtet (sog. Superädifikate). Zwei Drittel gehören der Stadt selbst. „Natürlich kann jemand, der in seinen Stand investiert hat, eine angemessene Ablöse verlangen“, sagt Marktamts-Sprecher Alexander Hengl. 700.000 Euro findet er bei entsprechendem Investitionsvolumen nicht zu hoch gegriffen. „Man kann das mit einem Kleingartenhaus vergleichen“, erklärt er. Aktuell wird auf diversen Online-Portalen ein Doppelstand – „Hier können Sie REICH werden!!!“ zum Kauf angeboten. Nähere Informationen zur Höhe der Ablöse waren dem Makler auf Anfrage von Weekend Magazin nicht zu entlocken. Seit Bekanntwerden einer Ablösesumme (kolportiert wurden 800.000 Euro) vor einem Jahr geben sich die Anbieter bedeckt.

Besucher-Magnet

Die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) versteht die Kritik am Markt nur begrenzt. Mehr als 62.000 Besucher kommen pro Woche, die Warenvielfalt sei durchwegs gegeben. Auch Hengl betont: „Es wird schnell etwas schlecht geredet. So schön wie jetzt war der Naschmarkt schon lange nicht mehr!“

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