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Weekend-Redakteurin Tamara Hörmann bei ihrer ersten Klettertour
Weekend-Redakteurin Tamara Hörmann bei ihrer ersten Klettertour
Stefan Knittel

Hoch hinauf! Das erste Mal Klettern

10.09.2015 um 11:49, Weekend Online
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Einmal im Leben einen Gipfel stürmen: Träumen Sie auch davon? Weekend Style-Redakteurin Tamara Hörmann hat es ausprobiert. Und ist kläglich – aber voller Stolz – gescheitert.

Höher, schneller, weiter – bis ganz hinauf. Ich spüre das Adrenalin, das in meinen Körper schießt und mich mutiger werden lässt. Ich greife nach dem Stein ganz weit oben – den glatten, weißen, großen, mit einer Mulde zum Festhalten drin. Aber ja nicht hinunterschauen, nur nicht das Ziel aus den Augen verlieren! Ich hebe mein linkes Bein und suche einen geeigneten Stein zum Draufstellen. Oje, jetzt hab ich doch hinuntergespickt. So weit oben bin ich schon? Was mache ich hier? Soll ich noch weiter klettern? Und: Warum bin ich überhaupt hergekommen?

Zuerst aufwärmen, dann klettern: Eine Schnupper-Einheit à 1,5 Std. kostet ab 22 Euro

Alles auf Kletter-Anfang

Wir kennen das doch alle: In der Arbeit ist es stressig, zu Hause sollte renoviert werden und die Nichte will in den Zoo. Es ist einfach immer was zu tun. Aber wo bleibt einmal Zeit nur für mich? Genau (fast) gar nicht. Deshalb wollte ich mir einmal eine Auszeit vom Alltag gönnen und etwas nur für mich tun. Eine Herausforderung sollte es sein, mit ein wenig Action. Da schoss es mir in den Sinn: Warum nicht nach den Sternen greifen und einen Gipfel stürmen? Kaum darüber nachgedacht, stand ich schon in der Naturfreunde Kletterhalle Wien und schaute die riesigen Wände empor. Ein überwältigender Blick auf die 2.000 m² große, ­bunte Kletterfläche. Wow!

„Partnercheck“: Man kontrolliert die eigene Sicherung sowie auch die des Partners

Nicht ohne meine Trainerin

Bevor ich loslegen kann, muss mir Trainerin Christina Ziegerhofer aber noch zeigen, wie es geht. Denn ohne professionelle Einschulung kann das Klettern ganz schön gefährlich sein: „Es kommt immer wieder vor, dass Anfänger im Internet kurz nachschauen, was man zum Klettern braucht, sich die Geräte besorgen und dann einfach loslegen. Dabei gehen aber wesentliche Sicherheitselemente verloren. Einen großen Unterschied macht es z. B., ob man den Daumen beim Sichern nach oben oder nach unten hält. Solche Tipps findet man kaum im Internet. Das sind aber genau die Feinheiten, die es ausmachen.“ Denn hält man den ­Daumen falsch und rutscht ab, kann man sich schwer verletzen. Bei den Anfängerkursen in der Kletterhalle hingegen passieren Unfälle so gut wie nie, beruhigt die Trainerin. Es sind meistens Übereifrige, die sich selbst überschätzen: „Viele gehen es viel zu schnell an und werden übermütig. Deshalb kommen Ringbandverletzungen oft vor, weil die Kletterer ihre Muskeln viel zu schnell aufbauen. Die Bänder haben nicht genügend Zeit, sich an die Belastung zu gewöhnen und werden über­lastet.“ Deshalb ist es wichtig, dass wir es im Anfänger-Kurs ganz langsam und gemütlich angehen und jeder sein ­eigenes Tempo wählt.

Achtung, fertig, aufwärmen!

Bevor es hoch hinaus geht, wird richtig aufgewärmt, damit die Muskeln warm werden. Dazu begeben wir uns ins Außengelände, wo wir auf Yoga-Matten Gleichgewichtsübungen machen und eine kurze Bauch-Bein-Po-Session einlegen. Dabei will die Trainerin einen ersten Eindruck gewinnen, wie beweglich man ist. Als „Gelegenheits-Sportlerin“, wie ich mich selbst bezeichne, schneide ich dabei überraschend gut ab und Trainerin Ziegerhofer gibt mir grünes Licht, um mich beim Bouldern im Innenbereich auszuprobieren. Hier ist man nicht gesichtert, klettert aber dafür nur in Absprunghöhe. Das bedeutet, ich klettere nur höchstens zwei Meter hinauf und kann jederzeit auf den weichen Matten unter mir landen, sobald ich abspringen will. Das soll Anfänger wie mich an das Kletter-Gefühl gewöhnen und die Angst nehmen.

Zeit zum Mutigsein

Fühlt man sich im Boulder-Bereich sicher, kann man mit dem Seilklettern beginnen. Dabei schlüpfe ich in den Klettergurt und werde mit Seilen durch meine Trainerin vom Boden aus gesichert. Endlich kann ich bis in 16 Meter Höhe klettern und den „Gipfel der Halle“ erreichen – vorausgesetzt, meine Nerven halten durch. Aber davor will ich von Ziegerhofer noch wissen: Was macht die Faszination Klettern eigentlich aus?

Da soll ich hinauf? Meine anfängliche Skepsis verwandelt sich schnell in Ehrgeiz

Die eigenen Ängste überwinden

„Für mich persönlich sind es die Bewegungen, die mir besonders gut gefallen. Ich mag’s nicht, wenn ich mich bei etwas total beeilen muss. Beim Klettern bewegt man sich so schön geschmeidig, ich kann mein eigenes Tempo wählen und niemand stresst mich. Dann ist da noch der Adrenalin-Kick und das intensive Gefühl zum Schluss, wenn die Anspannung endlich abfällt und man weiß, man hat es geschafft. Meine ­eigenen Ängste zu überwunden macht mich einfach stolz. Das ist unbeschreiblich schön“. Genau dieses Gefühl fasziniert Ziegerhofer mittlerweile schon zehn Jahre lang immer wieder aufs Neue am Klettern.

Der Traum vom Profi

Ins Profi-Business wollte die gebürtige Steirerin aber nie einsteigen. „Da geht oft der Spaß verloren“, erzählt die 32-Jährige. „Andere mit meiner Begeisterung anzustecken, das ist schon eher mein Ding. Als Trainerin muss man Charisma haben, die Leute begeistern und sein eigenes Wissen gut vermitteln können.“ Wer als Profi-Kletterin erfolgreich sein will, muss hingegen beinhart trainieren. „Kindergruppen trainieren zwischen drei- und viermal pro Woche, und jedes zweite Wochenende gibt es einen Wettkampf. Da muss man schon richtig durchbeißen.“ Aber Ziegerhofer hat große Ziele: „Ich will noch in so vielen verschiedenen Ländern klettern – in Thailand, auf Malta oder in Laos. Es gibt einfach so wahnsinnig viel zu entdecken!“

Zurück auf den Boden

Ich habe es zwar nicht bis ganz hinauf geschafft, bin aber trotzdem mächtig stolz, als ich den festen Boden wieder unter meinen Füßen spüre. Nie hätte ich gedacht, dass ich so weit komme, aber nach einer Weile ging es wie von selbst: Einen Schritt nach dem anderen setzen und immer weiter, höher hinauf klettern! Der Adrenalin-Kick motiviert und macht stark. Ein paar Meter vor dem „Gipfel“ – so nenne ich den höchsten Punkt der Halle – muss ich dann doch aufgeben. Trotz dem fiesen Muskelkater am nächsten Tag bin ich aber fest entschlossen: Beim nächsten Mal werde ich den Gipfel der Halle stürmen!

Geschafft! Ein tolles Gefühl, nach etlichen Höhenmetern wieder auf dem Boden zu sein

Experten-Interview: Christina Ziegerhofer

Die gebürtige Steirerin ist vor 14 Jahren für ihr Studium, Lehramt für bildnerische Erziehung und Werken, nach Wien gezogen. Geblieben ist sie wegen dem Klettern, sagt Ziegerhofer. Aus „einfach mal ausprobieren“ ist überraschend mehr geworden. Mittlerweile ist das Studium Nebensache und Klettern ihre große Leidenschaft, für die sie auch andere immer wieder aufs Neue begeistert.

Kletter-Expertin Christina Ziegenhofer

Ab wann darf ich selbstständig klettern?

Um Toprope klettern zu können, reicht ein Anfänger-Kurs. Das sind bei uns in der Naturfreunde Wien Kletterhalle insgesamt 12 Stunden. Nur in Ausnahmefällen kommt es vor, dass Teilnehmer nach einem Kurs noch nicht selbstständig klettern können. Bouldern hingegen kann man sogar ohne Kurs: Hier ist es nur wichtig, dass man den Absprungbereich immer freihält, um sich selbst und andere nicht zu verletzen.

Halle oder Gelände?

Anfänger sollten in der Halle beginnen, das ist einfacher. Die sogenannten „objektiven Gefahren“ wie Blitz- und Steinschlag fallen weg, man ist wetterunabhängig und kann jederzeit Pause machen.

Kann jeder klettern lernen?

Im Prinzip kann jeder klettern. Es gibt sogar ausgebildete Trainer für Rollstuhlfahrer. Schwierig wird es nur, wenn man mit den Sprunggelenken oder Knien ernste Probleme hat, dann muss man besonders vorsichtig sein.

Welche schlimmen ­Fehler können passieren?

Der größte Fehler, den Anfänger machen können, ist keinen Kurs zu besuchen. Im Internet schauen, wie es geht, reicht nicht! Dabei gehen wichtige Sicherheitselemente verloren.

Wie bereitet man sich auf den ersten Kurs vor?

Wir fangen mit dem Bouldern in Absprunghöhe an. Erst später geht es ans Seil. Am besten ist, sich selbst keinen Druck aufzubauen und am Vortag auszuschlafen. Dann klappt’s!

Was soll ich anziehen?

Wichtig ist eine elastische Hose, die bis unter die Knie geht, damit man sich diese nicht aufscheuert. Und bitte nichts aus Kunststoff, der leicht reißt! Prinzipiell reicht ein bequemes Fitness-Outfit, in dem man sich gut bewegen kann.

Welche Muskeln werden trainiert?

Das Klettern ist eine absolute Alternative zum Fitnesscenter, weil quasi alle Muskelgruppen trainiert werden, und das sehr vielfältig. Je besser man wird, desto mehr lernt man neben ­seinen Armen auch die Beine einzusetzen.

Alle Themen finden Sie in der aktuellen Ausgabe.

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