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Der Schrebergarten ist Rückzugsort und gibt Platz zur Selbstverwirklichung
Der Schrebergarten ist Rückzugsort und gibt Platz zur Selbstverwirklichung
Mayerhofer/Zentralverband der Kleingärtner

Das Garteln ist des Wieners Lust: Zwergerl-Kolonien in Kleingärten

09.07.2014 um 16:51, Maria Zelenko
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Ein grüner Flecken mitten in der Stadt. Ein paar Pelargonien, Paradeiser, vielleicht ein Planschbecken für die Sprösslinge. Viele Stadtbewohner träumen von einem eigenen kleinen Naherholungs-Paradies. Doch die Wartelisten für die Gärten sind lang.

Sie heißen „Sonnenschein“, „Zukunft auf der Schmelz“ oder „Neu Brasilien“. Letztere ist die ­älteste ihrer Art: Die Kolonie an der Alten Donau begründete vor 110 Jahren eine liebgewonnene Wiener Tradi­tion: das Schrebergartl. Heiß geliebt, heiß begehrt – bis heute. Wer eines sein Eigen nennt, kann sich glücklich schätzen.

Glück & Leid

Einen Garten zu erben setzt einen Trauerfall im engsten Familienkreis ­voraus: Vererbt werden kann nämlich nur in direkter Linie – sprich von Eltern an ihre Kinder oder umgekehrt. Wer auf das Gartl der Urstrumpftant hofft, wird leider enttäuscht. Hier bekommt man zwar den Wert der Anlage – Haus, Interieur, Investitionen – abgegolten, das Pachtrecht der Liegenschaft fällt aber an den Verein zurück. Die Ablösen für die Gärten variieren je nach Lage und Ausstattung: Top in Schuss, mit Pool und Keller, sind schon mal 450.000 Euro fällig.

Geduld gefragt

Für die heiß begehrten Grünoasen gibt es lange Wartelisten. Wer Glück hat, kann sich bereits nach drei Monaten auf die Gartenarbeit stürzen. Das ist aber die Ausnahme, zwei, drei Jahre Wartezeit sind in Wien durchaus normal. Bei den begehrtesten Lagen wie an der Alten Donau ist das Interesse ungleich größer. „Es gibt Vereine, die haben eine Anmeldesperre. Dort gibt es zirka 40 Bewerber, und pro Jahr werden maximal sechs bis acht Parzellen frei“, weiß Friedrich Hauk, Vizepräsident des Zentralverbands der Kleingärtner und Siedler.

Mein Verein

Die mehr als 29.000 Wiener Kleingärten sind in rund 250 Vereinen organisiert. Die größte ist mit 840 Gärten die Kolonie „Simmeringer Haide“. Wer einen Garten möchte, muss beim Verein vorsprechen. Meist entscheidet dieser über die Vergabe. Um eine Mitgliedschaft kommt man nur schwer herum. „Wilde“ Gärtner gibt es zwar, die Gebühren für Vereinsleistungen wie die Pflege der Wege etc. werden aber trotzdem fällig. Und ein sich Ausklammern aus der Gemeinschaft wird mit Skepsis beäugt.

Ganzjährig genutzt

Bei der Frage nach dem Wohnrecht kommt es auf die Widmung an: Bei der „großen“ darf das Haus (bis 50 m2 pro Ebene) als regulärer Wohnsitz genutzt werden. Bei der normalen Widmung muss man woanders hauptgemeldet sein. Dann kann man das ganze Jahr im Gartenhaus (immerhin 35 m2 pro Ebene) residieren und genießen.

Zoff im Paradies

Die ­Rechtsvorschriften des Wiener Klein­gartengesetzes sollten auf jeden Fall eingehalten werden. Denn in vielen Vereinen gilt: Zuerst über Nachbars Zaun spähen, dann zum Obmann petzen rennen und in letzter Instanz: Anzeige beim Verband. Nicht nur einmal musste ein zu groß bemessener ­Wintergarten wegen einer anonymen Anzeige wieder abgerissen werden. Vor solchen Methoden schützt kein noch so grimmig blickender Gartenzwerg.

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