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Wir wollen ja nur spielen - Gamer im Einsatz
Wir wollen ja nur spielen - Gamer im Einsatz
gorodenkoff/iStock/Thinkstock

Aus Spiel wird Ernst! So wird man Meister im Zocken

30.10.2017 um 08:37, Weekend Online
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Zocken zum Sport machen und damit zur Staatsmeisterin werden? Klingt absurd, dachte sich Weekend Magazin-Redakteurin Tamara Hörmann. Trotzdem schaute sie bei den diesjährigen Meisterschaften vorbei und ließ sich kurzerhand von den Absurditäten begeistern.

Schiedsrichter, Moderatoren, Pokale, Preisgelder, etliche Zuschauer vor dem Live-Stream und Mannschaften voller Hoffnung auf den Titel: Nein, es geht hier nicht um die UEFA Champions League oder ein anderes Fußballturnier, sondern um eine neue Trendsportart – den eSport. Was das ist? Das wusste ich auch noch nicht so genau, als ich in der Game City, der größten Messe für interaktive Unterhaltungselektronik in Österreich, vorbeischaute. Und staunte nicht schlecht, als mir die Besucher nicht glauben wollten, dass ich von "Overwatch" und "Gwent" noch nie etwas ­gehört habe.

Freak-Alarm

Dabei handelt es sich bei den Gamern gar nicht nur um vereinsamte Nerds, wie das gängige Klischee besagt. Bereits mehr als die Hälfte aller Österreicher verbringt ihre Freizeit mit ­Videospielen, 4,9 Millionen weist die aktuelle Studie der GfK Austria aus. Und auch professionell wollen sich immer mehr beweisen: Bei den Turnieren der eSport League Austria (ELA) zocken bereits 32.000 registrierte Gamer um die Titel.

Profis am Werk

Gespielt werden dabei Allzeitklassiker wie FIFA, League of Legends, Call of Duty oder Super Mario Kart Deluxe 8. Will man mitmachen, muss man sich entweder – wie auch beim Fußball – einem Team anschließen oder selbst eines gründen. Ist dieses bei der ELA offiziell registriert, kann man sich für die Qualifikationen kostenlos anmelden. Ins Finale schaffen es nur die Besten. Staatsmeisterin. Eine von ­ihnen ist Yvonne Scheer (26) aus Graz, die den Titel bereits dreimal gewonnen hat und für die diesjährige Meisterschaft extra nach Wien gereist ist. Ihre drei Teamkollegen, ein Tiroler und zwei Steirer, trifft sie dreimal pro Woche online beim "Training", persönlich sieht sie sie aber nur auf Events wie diesen.

Mentale Unterstützung

Aber warum sieht man das Computerspielen als Sportart an, obwohl man sich doch kaum bewegt? "Weil man körperlich fit sein muss, um so ein Turnier, das über mehrere Stunden geht, auch durchzuhalten", berichtet Stefan Baloh, Präsident des eSport Verband Österreich (ESVÖ). Er hat die ELA ins Leben gerufen. "Wir haben sogar auch Ernährungsberater und Mental­coaches, die den Spielern Tipps geben."

Bisher noch keine Kohle

Der einzige Wermutstropfen am eSport-Hype: Verdienen kann man in Österreich im Gegensatz zu Deutschland oder den USA in der Branche (noch) wenig. Baloh arbeitet, so wie weitere 60 Personen, rein ehrenamtlich für den Verband. Der ESVÖ selbst sieht sich auch nicht vorrangig als Veranstalter, sondern als Anlaufstelle für jene, die gerne ­eigene Ligen ins Leben rufen möchten. "Ist es einmal der Fall, dass es eine A1-Liga oder Ähnliches gibt, dann wird der eSport-Verband sagen: Super! Denn das ist unser Wunsch, unser erklärtes Ziel", erklärt Baloh optimistisch.

Coole Sportbars

Die Gewinner der Turniere können sich allerdings sehr wohl freuen: Bei League of Legends gibt es heuer für den Sieger beispielsweise ein Preisgeld von 2.000 Euro, ebenfalls Hardware von den Sponsoren wie Headsets und Mäuse können gewonnen werden. Und auch das Public Viewing ist, so wie bei anderen Sportarten, ein wichtiges Thema. So gibt es mit „Respawn“ und „AREA52“ in Wien bereits Lokale, die sich darauf spe­zialisiert haben, eSport-Turniere zu übertragen. Was ich von meinem Besuch gelernt habe? "Overwatch" und "Gwent" sind Namen von Videospielen. Und eSport ist ein Hobby, das nicht nur Com­puterfreaks Spaß macht.

Staatsmeisterin Yvonne "MissMadHat" Scheer (3-fache Call of Duty-Staatsmeisterin) im Interview:

Weekend: Wie viel Freizeit muss man opfern, um Call of Duty Staatsmeisterin zu werden?
Yvonne Scheer: Man muss auf jeden Fall Prioritäten setzen. Bei uns ist es so: Wir sind ein Team von vier Leuten und haben alle ein "Real Life". Unser Privatleben ist oberste Priorität, erst dann kommt der Rest. Call of Duty ist und bleibt ein Hobby. Wir trainieren dreimal die Woche nach der Arbeit – ein Training dauert ­dabei so ca. vier bis fünf Stunden.

Weekend: Ist ­Gaming eine Männer­domäne?
Yvonne Scheer: Ja, definitiv. Ich bin eines der wenigen Mädels, die auf den Events sind. Vor allem die Ego-Shooter-Szene ist extrem männerdominiert. Ich denke, die Motivation ist bei den Mädels nicht so hoch, das Spiel einmal auszuprobieren. Und ich glaube, das ist so, weil sich viele auch gar nicht auf die Events trauen, meistens nur als „Anhängsel“ mitgehen.

Weekend: Welchen Vorteil habt ihr ­gegenüber den anderen Teams?
Yvonne Scheer: Ich spiele mit meinem Team jetzt schon seit über vier Jahren. Unser Slogan ist: Freundschaft führt zum Erfolg. Bei vielen Teams werden die Leute, so wie z. B. bei einer Fußballmannschaft, ausgetauscht, wenn sie nicht gut genug sind. Wir allerdings spielen als Freunde zusammen: Wir können uns aufeinander verlassen. Das ist ein anderes Gefühl, als wenn ich mit fremden Leuten zusammengewürfelt werde.

Weekend: Welches ist das einfachste Spiel, mit dem man am meisten Geld verdienen kann?
Yvonne Scheer: Minecraft-YouTube-Videos. Ich verstehe zwar nicht ganz, warum, aber die größten Gaming-YouTuber sind Minecraft-Spieler. Sie spielen das Game – so ähnlich wie "Die Sims", nur mit einer anderen Grafik – und kommentieren das.

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