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Conny Engl

Lebenslänglich für Ella

11.06.2018 um 11:19, Conny Engl
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Eines habe ich gelernt: Wenn ich denke „Schlimmer geht’s nimmer“, ist das ein gewaltiger Irrtum. Es ist wie ein böses Omen, das man nur durch diesen Gedanken unfreiwillig heraufbeschwört.

Was bisher geschah ...

Das rechte Auge von Ella war so rot unterlaufen, dass ich dachte, meine Katze hätte einen Kater. Doch schnell war klar: mit einem „Reparaturseiterl“ ist es hier nicht getan. Ein Tierarzt-Besuch war unvermeidlich. Beim Versuch Ella in die Transport-Box zu stecken, verwandelte sie sich in „Karate-Cat“, wovon ich heute noch Blessuren habe. Bei der Fahrt zum Doc machte sich meine arme Katze dann in die nicht vorhandene Hose. Der Arzt diagnostizierte Herpes-Viren und verordnete eine 10-tägige Salben-Kur. Am Weg nach Hause stellte sich auch noch die Natur gegen uns. 30 Minuten waren wir gefangen im Auto, weil der Himmel einfach nicht aufhören wollte zu heulen. Und auch ich war den Tränen nahe. Doch wütend genug, um mich schließlich mit Ella durch den Wasserschleier zu unserem Zuhause vorzukämpfen.

Endlich zuhause. Zuhause ist es am schönsten. Zuhause muss man den Bauch nicht einziehen. Zuhause ist man sicher ...

Drei Wochen später ...

„Wann wird Ella sich wieder sicher fühlen?“, denke ich, als ich gerade auf sie zugehe, um ihr hoffentlich das letzte Mal Salbe ins Auge zu drücken. Sie duckt sich sofort, legt den Rückwärtsgang ein, sucht nach einem Fluchtweg ... will sich vor der bösen Tube in Sicherheit bringen ... vor mir ...

Kein Wunder. Nach dem ersten Arztbesuch vor drei Wochen hat Ella zehn Tage lang morgens und abends in die böse Tube starren müssen. Doch ganz hat die Salbe das Rot nicht vertreiben können. Yippieh-Yeah! Nochmal zum Onkel Doc! Noch ein paar mehr Kratzer auf meinem Rücken. Noch eine Panikattacke mehr für Ella. Und das Ergebnis des Arztbesuches hat es in sich gehabt ... Herpes-Viren waren auf einmal die geringste Sorge.

2. Tierarzt-Besuch

Ella sitzt zitternd am Behandlungstisch. Der Arzt zieht ihr das Augenlid so weit herunter, dass ich befürchte, Ellas Augapfel würde wie bei einer Tennisballmaschine gleich herausschießen. Ich schaue weg, weil ich mich sonst übergeben muss. Doch der Arzt sagt: „Sehen Sie, hier: Das zweite und das dritte Augenlid sind zusammengewachsen.“ Ich höre wohl nicht richtig, denke ich mir, als ich langsam den Kopf wieder zu ihnen drehe und gegen den Würgereiz ankämpfe. Es gibt mehr als ein Augenlid? Ich frage ihn: „Was kann man dagegen machen?“ „Nichts. Das ist wie ein Schönheitsfehler, eine Narbe, die bleibt“, meint der Arzt. Er macht das Gleiche mit Ellas linkem Augenlid, um mir den Unterschied zu zeigen. „Hier ist nichts zusammengewachsen. Allerdings hat sie bei beiden Augen eine leichte Entzündung."

Super! Erst Herpes-Viren auf einem Auge, dann eine Entzündung auf beiden und zusammengewachsene Augenlider ... Was kommt als nächstes?
Habe ich zu lange gewartet? Ich hätte Ella viel früher herbringen müssen ... Warum hat der Tierarzt das beim letzten Besuch nicht festgestellt? Ist der Arzt schuld? Ich sollte einen anderen Arzt aufsuchen. Ich bin eine schlechte Katzenmama. Arme Ella ...

Die Medikation: Dreimal täglich Tropfen, morgens und abends zusätzlich noch Salbe – ein paar Minuten nach dem Eintropfen. Und das ganze vier Tage lang. Also insgesamt 20 mal muss ich Ella durch die Wohnung jagen, sie auf den Behandlungstisch – der einst mein Küchentisch war – zwingen und ihre Augen „vergewaltigen“.

3. Tierarzt-Besuch

Kennen Sie das, wenn Sie auf einmal jede Kleinigkeit aufregt? So wie in einer Beziehung, in der man sich nicht mehr wohlfühlt und die Angewohnheiten des Partners plötzlich nicht mehr auszuhalten sind. Sie braucht mal wieder so lange im Bad, dass man die Tür einschlagen und sie auf die Straße setzen will. Oder er schmatzt beim Essen auf einmal so laut, dass man ihm die Gabel in den Rachen rammen will. Gut, das ist etwas übertrieben. Aber ebenso übertrieben waren vermutlich meine Gedanken beim 3. Tierarzt-Besuch ...:

„Karate-Cat“ rammt mir ihre Krallen so tief ins Fleisch, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Irgendwie schaffe ich es, sie in die Box zu stecken. Pünktlich betreten wir um 17:15 Uhr die Praxis. Während wir sitzen und warten, schnuppere ich immer wieder an der Box. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube Ella hat sich schon wieder angemacht. Die Tür geht auf. „Der Nächste bitte“, sagt der Arzt, und eine Frau geht mit ihrem Hund hinein. Nach dem dritten Patienten, der vor mir reingeht, brodle ich innerlich.

Geht das hier nach Termin oder nach Eintreffen? Und wenn es nach Termin geht – haben die uns alle für dieselbe Zeit einen gegeben? Meine ängstliche Katze hat es nicht verdient, so lange zu warten. Schon gar nicht, wenn sie in ihrer eigenen Pisse sitzt!

Als Ella und ich nach einer Dreiviertelstunde Wartezeit endlich zum Behandlungstisch „dürfen“, bestätigt sich mein Verdacht. Doch die Auflage in der Box hat Gott sei Dank alles wie eine Windel aufgesaugt, sodass das einzig Feuchte an Ella ihre schwitzigen Pfoten sind. „Ja, so eine Brave!“, sagt der Tierarzt und gibt meiner Katze ein Bussi auf ihren Kopf. Ja, voll brav, denke ich, während die Kratzer auf meinem Rücken noch mehr brennen. „Die ist in einer Angststarre“, kläre ich ihn auf. „Nein, würde sie das sein, hätte sie mir schon längst eine mit der Pfote drübergezogen“, meint der Arzt.

Ahja ... das klingt ungefähr so logisch, als würde ein Rollstuhlfahrer plötzlich aufhüpfen und davonrennen können, wenn jemand ihn mit einer Axt bedroht ... Also entweder ich kenne mich absolut nicht aus, oder der Tierarzt ist ein ...

Zur Diagnose: Die Herpes-Viren sind definitiv besiegt. Vorerst. Denn die können je nach Lust und Laune zurückkehren. Die Entzündung beim linken Auge ist weg, doch das rechte ist nach wie vor beim zweiten und dritten Augenlid leicht rot. Kein Wunder, da man da nur schwer rankommt. Zwei Tage lang muss noch Salbe ins rechte Auge. Dann sollte es gut sein, doch dieser „Schönheitsfehler“ – wie der Arzt ihn nennt – wird Ella lebenslänglich beeinträchtigen, denn dieser wird immer wieder Entzündungen auslösen. Nach zehn Tagen soll ich wieder kommen, weil der Arzt noch irgendeinen Tränenflüssigkeitstest machen will. Ich nicke nur ...

In zehn Tagen wird er Ella und mich sicher nicht sehen. Jetzt muss ich erst mal wieder das Vertrauen von Ella zurückgewinnen.

Um euch, liebe Leser, jetzt nicht mit glasigen Augen zurückzulassen, hier ein aktuelles Foto von Ella (eine Woche nach dem letzten Mal einsalben), das hoffentlich eure Stimmung etwas hebt:

Weekend-Redakteurin Conny Engl ist seit einigen Monaten Katzenmama. Ella und Carlos heißen ihre beiden Mitbewohner, wobei sie scherzhaft einräumt, dass mittlerweile eher sie die Mitbewohnerin ist als umgekehrt. Auf weekend.at teilt sie ihre Erfahrungen und Erlebnisse und vieles mehr rund um das Thema Katzenhaltung.

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Nicht zu fassen ... nachdem Carlos die Box als neuen Lieblingsplatz auserkoren hat, findet sie Ella auf einmal auch ganz gemütlich.

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