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Kons. Mag. Claudia Ortner

Der Siegeszug einer Superknolle

12.11.2017 um 22:03, Claudias Natur-Blog
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Die Knollensonnenblume - wissenschaftlich Helianthus tuberosus genannt - ist eine nahe Verwandte unserer "Sonnenblume". Mancherorts ist sie bei uns auch unter den Namen Erdbirne, Jerusalem-Artischocke, Erdsonnenblume oder eben Topinambur bekannt. Sie wird unter den "alten" Gemüsesorten gelistet, hat viele Vorzüge und sollte in keinem Garten fehlen.

Die Heimat dieser Pflanze ist Nordamerika. Schon seit Jahrhunderten war die Topinambur bei den dort ansässigen Indianern bekannt. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde sie von Seefahrern nach Frankreich gebracht, wo sie als "Kartüffel" bezeichnet wurde. Es gibt auch eine Geschichte, wonach einige Knollen von Auswanderern zurück in die alte Heimat geschickt wurden, weil diese dank der Topinambur-Knollen eine schlimme Hungersnot überlebt hatten und sie auch den Verwandten diese wunderbare Knolle zeigen wollten. Zu Beginn diente sie in ihrer neuen europäischen Heimat allerdings nur als Zierde. So ging es auch vielen anderen Neuankömmlingen aus Amerika - etwa den Chilis, den Tomaten oder den Gartenbohnen.

Ihre Anwendung als Nahrungsmittel war vielerorts nur von kurzer Dauer, wurde die Topinambur im 18. Jahrhundert durch die Kartoffel verdrängt. Und nach dem Zweiten Weltkrieg, als manch' Heimkehrer aus russischer Gefangenschaft diese Überlebensnahrung nach Hause mitgebracht hatte und anbaute, wurde sie bald als Arme-Leute-Essen verpönt.

Doch jetzt ist der Siegeszug der Topinambur nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr Menschen entdecken ihre Vorzüge, immer mehr Gärtner erkennen ihr Potential, immer mehr Köche heraus, dass sie diese tolle Knolle ursprünglich gänzlich falsch verarbeitet haben. Denn dieses Gemüse kann auf so vielfältige Weise zubereitet werden. Auch Ernährungsexperten loben die Vorzüge dieser Pflanze.

Eines ist allerdings sehr trügerisch – nämlich ihr Name. Und sie selbst kann nicht einmal etwas dafür. Es ist der Mensch, der je nach Gegend den Pflanzen Volksnamen, sogenannte Synonyme gibt, die in einer anderen Region wieder eine ganz andere Pflanze bezeichnen können. Und so wird die Topinambur oft auch als Süß- oder Zuckerkartoffel bezeichnet. Nur sieht die echte Süßkartoffel in Wuchsform, Blüte und Knolle gänzlich anders aus. Gemein haben beide Pflanzen nur, dass sie unter der Erde knollenartige Verdickungen bilden, die viele Kohlenhydrate einlagern, die ihren süßlichen Geschmack hervorrufen.

Daher mein Tipp: Immer genau nachfragen, um welche Pflanze es sich handelt. Nur der wissenschaftliche Name gibt letzte Gewissheit, wenn man eine Pflanze nicht kennt. UND: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Schauen Sie, ob Ihre Topinambur auch unterirdische Knollen besitzt. Denn mittlerweile habe ich schon einige Leute kennengelernt, die angeblich "Topinambur" erhalten haben. Sie klagten mir, dass ihre Pflanzen bisher leider nur meterlange Ausläufer und nie Knollen zum Vorschein brachten. Und wollten von mir wissen, was sie falsch gemacht hätten in der Pflege. Ich habe sie rasch aufgeklärt, dass es auch andere ausdauernde Sonnenblumen gibt, wie z.B. die Helianthus maximillianii. Die bilden zwar ein dichtes Wurzelgeflecht, aber auf Knollen kann man bis in alle Ewigkeit warten. Pech gehabt, wenn man einem Betrüger oder Selbst-Nicht-Besser-Wissenden aufgesessen ist. Daher am besten zeitig im Frühjahr Knollen kaufen und damit sicher ins neue Gartenjahr starten.

Zur Pflanze selbst: Die Staude wird bis zu 3 Meter hoch; hat von Ende August bis November sonnenblumenähnliche kleine Blüten. Da es sich bei ihr allerdings um eine Kurztagspflanze handelt, kann es - je nach Witterung - in manchen Jahren und Gegenden passieren, dass sie gar nicht zur Blüte kommt. Ihre Samen reifen in Mitteleuropa nicht aus. Doch ist dies egal, da sie sich prima vegetativ über die Knollen vermehren lässt. Für höhere Erträge empfiehlt es sich - wie bei der Kartoffel - anzuhäufeln. Für eine Ladung Kompost, gelegentliche Düngung mit Brennnesseljauche, Holzaschenwasser und Kaffeesatz ist sie dankbar. Die Blätter sind sehr rauh und können als Viehfutter verwendet werden - oder zum Mulchen. Außerdem bieten diese Pflanzen einen tollen Sichtschutz und sind kaum krankheitsanfällig. Kurzfristig ist auch eine Topfkultur möglich. Die hohen, dicken Stängel werden von mir erst im Frühjahr abgeschnitten und gehäckselt, was ein tolles Mulchmaterial ergibt.

Wichtig ist auch, Sorten zu wählen, die einem persönlich gut schmecken. Denn was bringt eine noch so ertragreiche Sorte, wenn sie mir nicht mundet? Ich persönlich liebe die Sorte Bianca. Sie wuchert auch nicht so wie andere Sorten und bildet keine Ausläufer. Wer eine solch wuchernde Sorte sein Eigen nennt und nicht ständig erntet, sollte an eine Rhizomsperre denken. Weitere Sorten sind Onta, Waldspindel, 2088 und Barondo.

Was ich als Gärtnerin und Besitzerin eines Hauses ohne Keller besonders an der Topinambur schätze: Die Knollen können aufgrund ihrer Frosthärte in der Erde bleiben und bei offenem Boden auch im Winter beerntet werden - also ein sehr langes Erntefenster von Oktober bis zum Neuaustrieb im Frühjahr. Eine Lagerung in feuchtem Sand ist zwar möglich, doch schrumpfen die Knollen relativ rasch.

Ihre weiteren Vorzüge: Groß ist die Zahl ihrer Inhaltsstoffe. Sie besitzt viele Vitamine der B-Gruppe, Linolensäure, Kalium, Magnesium, Zink, 7 – 8 Prozent des Mehrfachzucker Inulin, Ballaststoffe in der Höhe von 12 – 22 Prozent, 75 – 80 Prozent Wasser, nur 2 bis 4 Prozent Eiweiß, 3,4 Gramm Eisen, 14 Milligramm Kalzium, 4 Milligramm Natrium, 2 Milligramm Vitamin A sowie 4 Milligramm Vitamin C und dies bei nur 30 Kilokalorien auf 100 Gramm. Vom gesundheitlichen Wert ist die Erd-Artischoke der Kartoffel somit weit überlegen!

Auch in der Küche ist der Siegeszug der Topinambur ungebrochen. Ihre Verwendung reicht von roh in verschiedensten Salaten, Smoothies und Säften bis gekocht in Aufläufen mit Schinken und Mayonnaise, mit Käse überbacken, in Suppen (nach Belieben mit Kartoffeln, Wein, Sauerrahm, Obers mischen ...), Chips, Omelettes und frittierten Scheiben.

Tipp:

Höchstens 10 – 15 Minuten garen, sonst verlieren die Knollen ihr nussig-knackiges Aroma und werden gatschig mit einem fast schon für manche etwas widerlichen Geschmack und Geruch. Viele - so auch ich - bevorzugen daher den Roh-Genuss dieses wunderbaren Gemüses.

Und was sie noch so wertvoll macht: Sie soll entschlacken und greift dank der vielkettigen Polysaccharide nicht so stark in den Zuckerhaushalt ein. Der Körper braucht länger, um sie aufzuspalten und für uns verfügbar zu machen. Daher ein ideales Nahrungsmittel für Diabetiker. Manche Menschen können allerdings auf ihren Genuss mit Blähungen reagieren. Daher beim ersten Mal vorsichtig in kleinen Mengen genießen.

Zum Schluß möchte ich euch noch ein paar erprobte Rezepte verraten:

Topinambur Chinese Sweet-Sour

Zutaten:

2 Zwiebeln
10 Knoblauchzehen
300 g Topinamburknollen
3 Kartoffeln
1 kleine Dose Ananas
nach Belieben: Sojasprossen, Chinakohl, frische Champignons

Für die Sweet Sour-Sauce:

2 EL Ketchup
1 EL Essig
1 EL Sojasauce
Saft der Ananas
1 – 2 TL Maizena

Zubereitung:

Zwiebel und Knoblauchzehen, anbraten, ebenso die Topinambur- und Kartoffelscheiben. 10 Minuten dünsten lassen. Restliches Gemüse nach Belieben dazugeben. Die Zutaten der Sauce verrühren und über das Gemüse gießen. Kurz eindicken. Zu Reis und/oder Fleisch servieren.

Topinambur-Suppe

Zutaten (für 4 Personen):

400 g Topinambur
100 g Knollensellerie
100 g mehligkochende Kartoffeln
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
1 EL Butter
ca. 800 ml Brühe
150 ml Obers
Salz
Pfeffer
1 Prise gemischte Kreuzkümmel
Weißweinessig oder Wein
2 EL Kräuteröl

Zubereitung:

Das Gemüse schälen und grob würfeln, dann alles zusammen in heißer Butter anschwitzen. Mit Brühe ablöschen und zugedeckt 15 Minuten leicht köcheln lassen. Wer den Eigengeschmack gekochter Topinambur nicht will, sollte sie erst später dazugeben!! Alles fein pürieren, das Obers zugeben, mit den Gewürzen abschmecken.

Die Suppe kann je nach Belieben verändert werden: mehr Wein, Obers, Kartoffeln oder weniger Topinambur. Macht eure eigenen Erfahrungen. Probiert aus, was euch und eurer Familie am besten mundet.

Topinambur-Tortilla

Zutaten (für 2 Personen):

300 g Topinambur
150 g Champignons
1 Zwiebel
2 EL Butter
Salz
Pfeffer
ca. 100 ml Brühe
5 Eier
2 EL frischgehackte Kräuter

Zubereitung:

Topinambur putzen, in dünne Scheiben schneiden. Champignons putzen und in Scheiben schneiden. Die Zwiebel fein würfeln. Die Topinambur mit der Zwiebel in 1 EL Butter anschwitzen, salzen, pfeffern und mit der Brühe ablöschen. Zugedeckt ca. 10 Min. gar dünsten. Deckel abnehmen, restliche Flüssigkeit verdampfen lassen. Restliche Butter sowie Champignons zugeben. Die Eier mit den Kräutern verquirlen und über das Gemüse gießen. 2 - 3 Minuten goldbraun anbraten und stocken lassen. Wenden. Dazu passen grüner Salat oder Tomatensalat.

Viel Spaß und Freude beim Ausprobieren!

Die Kraft der Natur zu nutzen, um mit sich und der Umwelt ins Reine zu kommen, ist Weekend-Bloggerin Claudia Ortner ein besonderes Anliegen. Auf weekend.at gibt die Oberösterreicherin Tipps, damit ein Leben im Namen der Nachhaltigkeit besser gelingt.

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